Wünsche unterm Sternenhimmel
Gedanken zur Woche von Pfarrerin Heidrun Dörken
16.08.2024 06:35
Es ist die Woche der Sternschnuppen. Mitte August ist der Meteorstrom der Perseiden am Nachthimmel zu sehen. Sterne haben die Menschheit schon immer fasziniert – astronomisch und religiös.
Sendung zum Nachlesen:

"Petra lernt den Himmel kennen" hieß das Buch, das mir meine Eltern schenkten, sobald ich lesen konnte. Auf dem Einband ein Mädchen, wie ich es war. Es wendet das Gesicht zum Nachthimmel und zeigt auf die unzähligen Sterne. Petra staunt. So wie ich, als mir mein Vater bei abendlichen Spaziergängen Sternbilder zeigte. Was denn hinter den Sternen ist, wollte ich wissen. Und hörte: Da geht es weiter mit dem Weltall, immer weiter, unendlich für uns. Das konnte ich nicht begreifen, aber es passte zu dem eigentümlichen Gefühl beim Blick in den Nachthimmel: ein bisschen unheimlich und rätselhaft. Gleichzeitig unfassbar schön. Und mit dem Vertrauen verbunden an der Hand des Vaters: So klein ich bin und so groß das Weltall, ich habe meinen guten Platz.

Diese Woche machen viele Menschen Erfahrungen mit Sternen. Vielleicht mit ähnlichen Gefühlen. Zu sehen ist gerade der Meteorstrom der Perseiden. Der erreicht um Mitte August herum seinen Höhepunkt, wenn die Erde wie jedes Jahr seinen Strom kreuzt (1). Manche Leute stellen sich den Wecker und schauen zwischen 2 und 4 Uhr aus dem Fenster. Oder treffen sich mit Decke oder Liegestuhl an möglichst wenig durch künstliches Licht beeinträchtigten Orten. Sie genießen das Himmelspektakel. In diesem Jahr sind die Perseiden in einigen Regionen sogar zusammen mit Polarlichtern zu sehen – sprühende Funken von grünen und lila-roten Lichtphänomenen.

Die Perseiden sind faszinierend in zwei Hinsichten: wissenschaftlich-physikalisch und religiös. Physikalisch, denn das, was wir als Sternschnuppe sehen, ist nur ein Auflösungsprodukt, also Staub eines Kometen. Der Komet in diesen Tagen heißt nüchtern 109P/Swift-Tuttle nach seinen Entdeckern (2). Die Luft um die verglühenden Staubkörner herum ist elektrisch geladen und leuchtet dadurch. Das Licht, das wir sehen, ist also das Leuchten der Luft und nicht das Stern-Staubkorn selbst.

Faszinierend ist das auch in religiöser Hinsicht. Denn ich kann das Phänomen Sternschnuppe erklären und trotzdem über seine Schönheit nur staunen. Und mir etwas wünschen, wenn ich mag. Das machen viele, wenn sie eine Sternschnuppe sehen. Wohl kaum jemand nimmt an, dass ein Leuchtkraft-erzeugendes Staubkorn Wünsche erfüllt. Das Wünschen ist vielmehr nahe an einem Gebet. Die Lichtspur am Himmel verweist mit ihrer Schönheit auf Sinn. Für glaubende Menschen auf Gott. Sie weckt die Hoffnung, dass etwas gut wird im Leben.

Der Sternenhimmel hat Menschen schon immer fasziniert. In der Antike haben viele Völker die Sterne als Götter verehrt. Diese alten Geschichten klingen heute noch nach. Wir nennen Sterne und Planeten mit Götternamen aus der griechisch-römischen Mythologie. Die Perseiden zum Beispiel heißen nach den Nachkommen des Perseus, einem Sohn des Göttervaters Zeus.

Die Sterne als Götter? Da waren die Propheten der Bibel anderer Meinung. Sie nannten die Sterne spöttisch "Lampen". Sie glaubten: Gott hat sie geschaffen. Wir verehren Gott, nicht die Himmelskörper.

Aber auch die Propheten haben über die Sterne gestaunt. Sie spielen in der Bibel eine große Rolle, nicht nur beim Stern von Bethlehem. Ich denke besonders an eine Szene mit Abraham, dem Urvater der Bibel. Gott verspricht Abraham und dessen Frau Sara Nachwuchs. Das war ihr großer Wunsch, inzwischen so lange, dass sie gar nicht mehr daran glaubten.

Gott sagt zu Abraham: Deine Nachkommen werden so zahlreich sein wie die Sterne am Himmel. Und macht sein Versprechen wahr.

Abraham wird oft so dargestellt: unter einem Himmel mit unendlich vielen funkelnden Sternen. Mir sagt das: Ich kann mir vom Himmel viel wünschen, wenn die Sternschnuppen fallen, oder wenn ich bete. Auch, dass scheinbar Unwahrscheinliches möglich wird. Manchmal werden Wünsche und Gebete wahr. Und noch wichtiger: Mich erinnert Abrahams Vertrauen an das Urvertrauen, das ich gespürt habe als Kind an der Hand meines Vaters mit Blick in den Sternenhimmel.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literaturangaben:

(1) https://www.esa.int/Space_in_Member_States/Germany/Highlights/Ein_warnender_Schweif

 

Anmerkungen:

(2) 109P/Swift-Tuttle ist ein Komet, der 1862 von Lewis A. Swift und von Horace Parnell Tuttle unabhängig voneinander entdeckt wurde.

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