Sendung zum Nachhören
Sendung zum Nachlesen
„Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott.“ Wenn ich wissen will, wie die Welt zusammenhängt, halte ich nach Liebe Ausschau. Avicii singt von der Geschwisterliebe:
Musik: Avicii, Hey Brother
Hey brother! There's an endless road to rediscover
Hey sister! Know the water's sweet but blood is thicker
Oh, if the sky comes falling down, for you
There's nothing in this world I wouldn't do
„Hey Bruder, endlos lang ist der Weg, sich wiederzuentdecken.“
Hey Schwester, Wasser ist süß, aber Blut ist dicker.
Wenn der Himmel einstürzen würde,
dann gäbe es nichts, was ich nicht für dich tun würde.“
„Blut ist dicker als Wasser“. Die Familienbande. Gar nicht so einfach, dieses Bild nicht überzustrapazieren. Oft scheint sie eher Programm zu sein als Realität. Das, was sich zwischen Geschwistern abspielt, ist oft nicht besonders liebevoll. Kaum eine Beziehung ist so voller Konkurrenz wie die unter Geschwistern. Bis aufs Blut. Bis hin zum Streit um das Erbe.
Die Bibel ist voll davon: Kain und Abel, Josef und seine Brüder, Juda und Tamar. Es geht um Missgunst, Verrat, Mord und Todschlag, Missbrauch. Dann aber eben auch tiefe Treue, Verbundenheit ohne Wenn und Aber. Um Liebe. Auch, wenn sie unter leiblichen Geschwistern manchmal nur gebrochen zum Vorschein kommt. Kaum einer kennt uns so lange und intensiv, weiß um unsere tiefen Bedürfnisse und Schwächen so gut wie unsere Brüder und Schwestern. Umso größer ist das Bedürfnis nach Liebe, nach Familie, nach Zusammenhalt.
Die Bibel hat einen weiteren Begriff von Familie. Geschwisterliebe ist hier mehr als eine enge, leibliche Beziehung. Familie, Liebe, Fürsorge ist in der Bibel nicht an Stammbäume oder biologische Abstammung gebunden. „Jemand ist von mir“ meint in der Bibel: Jemand ist mir ans Herz gewachsen, wir sind aus einem Holz gemacht, ich unterstütze seinen Traum, seinen Auftrag. Konventionen und familiäre Machtstrukturen sind unwichtig. „Ich will gehen, wohin Du gehst. Dein Gott ist mein Gott.“ Sagt Ruth zu Naomi und folgt ihr gegen alle Regeln in ein neues Land. Josef adoptiert kurzerhand das Kuckuckskind Jesus. Jesus selbst sagt zu seinen Freunden: „Ihr seid meine Geschwister“. Seine eigene Familie versteht ihn und seinen Auftrag dagegen nicht.
„Blut ist dicker als Wasser?“ Keine Spur! „Wasser ist dicker als Blut“ sagen manche Christen dagegen mit einem Augenzwinkern und spielen auf das Taufwasser an. Durch die Taufe entsteht eine neue Verbindung. Taufe durchbricht Herkunft und Tradition. Ganz gegen die gängige Sitte, die Taufe zum Familienfest zu machen, spricht man mit der Taufe von den „Geschwistern im Glauben“.
Solche Geschwister im Glauben gibt es auch religionsübergreifend und unabhängig von jeder institutionalisierten Glaubensform. Das mag ich an Geschwisterliebe: sie kann Brücken bauen zwischen den unterschiedlichsten Welten. Mir ist das bei einem Treffen mit einer buddhistischen Nonne klargeworden. Wir sind zum Interview verabredet gewesen - und haben uns dann ganz intensiv über unsere Erfahrungen mit dem Thema „Mitgefühl“ in unseren Religionen ausgetauscht. Selten ist mir jemand begegnet, der mit so viel Liebe auf die Evangelien schaut wie diese Nonne.
Sie war einfach schwesterlich: liebevoll, wertschätzend, neugierig zugewandt.
Geschwister im Geiste, die alte Grenzen überschreiten, können irritieren. Wenn jemand von außen kommt, und mir dann doch so ähnlich ist. Das Treffen mit dieser Nonne hat mir gezeigt: Es braucht Klarheit über die eigenen Wurzeln, um sich auf neue Geschwister einlassen zu können.
Bewahrende Kräfte haben eine wichtige Funktion. Sie gehören zu meiner Identität. Wie die leiblichen Geschwister. Aber wer sich hermetisch abriegelt, dreht sich irgendwann nur noch im Kreis. Wenn Menschen Geschwister im Geiste finden, außerhalb der eigenen Familie, dann wird das auch zurückstrahlen. Und solche Geschwisterliebe steckt an. Oft ist es eine neue Schwester, ein neuer Bruder im Geiste, die helfen, dass ich freundlicher auf alte Auseinandersetzungen gucken kann. Dann ist Geschwisterliebe auch heilsam. Liebe, in der ich Gott erkennen kann.
Es gilt das gesprochene Wort.