Jesus und die Jecken

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Angelo Casto

Jesus und die Jecken
Morgenandacht von Pfarrer Martin Vorländer
13.02.2024 - 06:35
29.12.2023
Pfarrer Martin Vorländer
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In meinem Bundesland Hessen gibt es in vielen Städten und Orten eine klare Trennung in mindestens drei Lager, was die fünfte Jahreszeit betrifft. Auf der einen Seite sind die Leute, die mit Begeisterung Fastnacht feiern. Jedes Jahr begreifen sie es als eine neue kreative Herausforderung, als was sie in dieser Session gehen, wie sie sich schminken und verkleiden. Sie lachen, schunkeln und tanzen, bis heute Nacht um null Uhr alles vorbei ist und der Aschermittwoch beginnt.

Die zweite Gruppe von Leuten steht irgendwo dazwischen. Wenn es Familien sind, haben oft die Kinder das Sagen, die Spaß am Verkleiden haben. Also fügen sich die Eltern, suchen Kostüme aus oder nähen sie mit den Kindern selbst, bringen ihre Kleinen zur Faschingsparty von deren Freunden und sind froh, dass sie selbst nicht mitfeiern müssen.

Und schließlich gibt es die Faschingsmuffel. Sie halten maximal Abstand zum närrischen Treiben und suchen am liebsten das Weite. In betont christlich frommer Variante gilt der Karneval sogar als Teufelszeug, und es wird demonstrativ zeitgleich zu den Fastnachtsumzügen zur christlichen Zeltmission eingeladen. Fasching und christlicher Glaube haben es schwer miteinander, meinen insbesondere einige Protestantinnen und Protestanten.

Ich gehöre zur ersten Gruppe. Ich feiere gern Fasching und mag Kostüme, in denen selbst Freunde sich schwertun, mich zu erkennen. Ich muss nicht jedes Jahr mitfeiern, aber immer wieder gern.

Eine Pfarrerin aus dem Rheinland hat mir noch einen ganz anderen Blick auf die fünfte Jahreszeit gezeigt. Sie ist eine richtige Karnevalistin und sagt: „Karneval ist himmlisch jeck und durch und durch protestantisch. Wir halten den Oberen den Spiegel vor die Nase und widersprechen. Wir hinterfragen, was gerade in der Gesellschaft und in der Kirche los ist, und zeigen, dass wir uns nicht alles bieten lassen. Das hat doch Jesus auch so gemacht!“

Diese Pfarrerin aus dem Rheinland behauptet sogar: „Jesus war ein Narr!“ Puh, dachte ich zuerst, was Jesus alles sein soll und wofür er herhalten muss! Jesus in einem Karnevalszug mit den Jecken aller Art? Das ist doch ein bisschen drüber, war mein spontaner Gedanke.

Aber dann kam ich zu dem Schluss: Eigentlich ist was dran, wenn ich mir die biblischen Geschichten unter diesem Blickwinkel anschaue! Die Leute haben Jesus ausgelacht: Der vergleicht das große Reich Gottes mit einem kleinen Senfkorn. Seine Weisheit ist so einfach, dass Kinder sie verstehen. Kindisch!, finden einige. Aber Jesus sagt: Wer den Himmel nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen. (Markus 10, Matthäus 19, Lukas 18)

Jesus vergibt Menschen die Schuld, anstatt ihre guten Leistungen aufzurechnen. Er glaubt an die Macht der Liebe. Kitschig! Aber er hält damit allen den Spiegel vor, die nur an ihre eigene Macht glauben.

Er geht den Mächtigen so sehr auf die Nerven, dass sie ihn weghaben wollen. Erst versuchen sie, ihn lächerlich zu machen. Sie hängen ihm einen roten Mantel um und setzen ihm eine Dornenkrone auf. Schaut euch den an! Der will ein König sein? Lächerlich!

Sie nageln ihn ans Kreuz. Das hat dieser Narr davon, dass er sich sein Leben lang nicht hat einordnen lassen! Jesus ist ein Narr. Weil er am Kreuz stirbt, denken viele, dass er mit seiner Botschaft gescheitert ist.

So steht das in der Bibel. Der Apostel Paulus schreibt: Die Botschaft von Jesus am Kreuz ist für viele völliger Unsinn. Ein Gekreuzigter soll Gottes Sohn sein? Im Leben nicht! (vgl. 1. Korinther 1,18)

Jesus macht sich zum Narren. Damit stellt er sich zu denen, die ausgelacht werden. Die ein bisschen schräg sind und Schwäche zeigen, die gehören zur Gesellschaft Jesu. Jesus, der Narr. Ich vermute, mit einer Schwäche für Jecken. Wenn ich Jesus so sehe, entdecke ich in ihm Gottes Liebe auch für meine Schwächen.

In einer Ergänzung zum Rheinischen Grundgesetz heißt es: „Jeder Jeck ist anders, und jeder ist anders jeck, und ein bisschen jeck sind wir alle.“ Ich übersetze das für mich so: Nimm deine Mitmenschen, wie sie sind – und dich selbst auch!

Es gilt das gesprochene Wort.

 

29.12.2023
Pfarrer Martin Vorländer