Gott schmecken

Wort zum Tage
Gott schmecken
27.10.2018 - 06:20
07.09.2018
Eberhard Hadem
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Manchmal bringe ich aus dem Urlaub etwas Wein mit, der mir dort besonders gut geschmeckt hat. Wenn ich dann mit meiner Frau zu Hause davon koste, schmeckt er leider anders und längst nicht so wie in den Tagen vorher. Denke ich aber zurück an das ganze Drumherum, die warme Abendluft, an Musik, Gespräche, Lachen, das Zusammensein der Menschen, auch in einer anderen Sprache die Bestellung ausprobieren, dann verbinden sich meine Erinnerungen mit dem Geschmack. Diesen Nachgeschmack im besten Sinne des Wortes trage ich in mir; da bleibt etwas, auch noch zu Hause. In der Bibel (Ps. 34,9) wird zu einem ungewöhnlichen Geschmackserlebnis eingeladen: Schmeckt und sehet, wie freundlich der Herr ist. Die Freundlichkeit Gottes schmecken – was für eine großartige Anmutung! Ich soll etwas von Gott schmecken dürfen. Sinnlich klingt das: Schmeckt, wie freundlich der Herr ist. Dieser Psalmvers ist in vielen Kirchen zu hören, wenn das Abendmahl gefeiert wird. Die Einladung, in einem christlichen Gottesdienst beim Abendmahl oder in der Eucharistie Gott schmecken zu dürfen, kommt da leider erst einmal eher trocken daher. Eine Hostie, ein kleiner Schluck Wein oder Traubensaft – das ist nicht unbedingt das vollmundige Geschmackserlebnis, das man woanders her kennt. Bis man das besondere Drumherum bewusst erlebt: Die gesprochenen Worte erinnern daran, wie Jesus mit seinen Jüngern Abendmahl gefeiert hat. Unterschiedliche, oft gegensätzliche Menschen finden sich jetzt in einer Gemeinschaft vor, zumindest stehen sie in einem Kreis oder Halbkreis. Ernste, aber auch fröhliche Gesichter sind dabei. Manche voller Erwartung, fast aufgeregt; andere eher nachlässig, als wäre es Routine. Und schließlich in manchen Kirchen die folgende Übung: Ich werde eingeladen, der Person, die mehr oder weniger zufällig neben mir steht, den Frieden Gottes zu wünschen. Obwohl ich den Menschen vielleicht nicht kenne oder ihn womöglich nicht mag, kann ich das mitmachen und in der Sprache der Bibel sagen: ‚Friede sei mit dir‘. Wann sage ich so was sonst schon mal? Manchmal bleiben es nur Worte, aber ab und zu berührt mich da etwas beim Händereichen, in einem Blick. Es stimmt schon, die Hostie selbst ist kein prickelndes Geschmackserlebnis. Aber die Atmosphäre, in der sich Fremde ansprechen, anfassen, anlächeln und irgendwie eine Gemeinschaft entsteht, dazu die Worte, die gesprochen werden, die Musik, das Licht, der Raum, das alles zusammen macht etwas Besonderes daraus. So schmeckt Gott, denke ich da manchmal; so freundlich! Und es bleibt ein guter Nachgeschmack. Den nehme ich mit. Den trage ich noch eine Weile in mir.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

07.09.2018
Eberhard Hadem