Wasser findet immer seinen Weg

Wort zum Tage
Wasser findet immer seinen Weg
23.10.2019 - 06:20
29.08.2019
Eberhard Hadem
Sendung zum Nachhören
Sendung zum Nachlesen

Ich erinnere mich, wie ich als Kind mit meinen Freunden oft an einem kleinen Bach Dämme gebaut habe. Steine, Matsch, Sand, Äste, Moos, alles wurde verwendet. Nicht immer hielt der Damm, dann musste neu und anders gebaut werden. Manchmal ging es auch nur darum, am Schluss in dem Damm ein kleines Loch zu machen, um zusehen zu können, wie das Wasser dann nach und nach, alles mit sich reißend, in kleiner Flut den alten Bachverlauf wiederfindet oder einen neuen Verlauf sucht.

Später, als Erwachsener, wurde mir die Symbolik darin bewusst. Ich staune darüber, wie das Wasser immer seinen Weg findet. Es lässt sich nicht beirren, wenn Steine oder anderes im Weg liegen. Nur kurz lässt es sich aufhalten, dann setzt es seinen Weg fort, wenn auch vielleicht anders als vorher. Was für kleine Bäche gilt, gilt erst recht für große Flüsse und Ströme, bei denen das Wasser im schlimmsten Fall auch zerstörend, ja sogar lebensbedrohlich sein kann. Doch die Macht des Unaufhaltsamen, die nicht nachlassende Kraft des Wassers, gegen alle Widerstände seinen Weg zu finden, hat sich mir schon als Kind eingeprägt.

Wie viele Steine wurden mir – im übertragenen Sinn – in den Weg gelegt, die schmerzhaft und unverständlich waren. Manchmal spüre ich, wie sich in mir etwas anstaut, wie ich von unsichtbaren Grenzen und Kräften blockiert werde. Wie die Angst mich packt, dass ich daran ersticke. Und zugleich kenne ich die andere Angst, dass der Damm reißen und ich nicht kontrollieren kann, was dann geschieht. Bis ich zulasse, dass er dann doch bricht und in einer Flut alles weggeschwemmt wird, was sich angestaut hat; und ja, dabei auch zunächst vieles durcheinander wirft. Doch dann finden die Energien ihren neuen Weg, können wieder kraftvoll und manchmal verspielt fließen.

Ich finde das wieder in der Schöpfungserzählung (1. Mose 1), wie der Geist Gottes über dem Wasser schwebt, aber noch nichts in Bewegung bringt. Die Erde ist tohu wa bohu, wüst und leer. Dann aber beginnt die schöpferische Krise, das Tohuwabohu weicht, es werden die Dinge voneinander geschieden. Aus dem Chaos wird durch Gottes Geist etwas Neues, von dem es heißt: Gott sah, dass es gut war.

Ganz ähnlich weicht auch im Menschen das Tohuwabohu, kommen Energien in Bewegung, bevor sich ein neuer Weg auftut. Vertrauen ist angesagt. Immer wenn sich mir etwas in den Weg stellt, das ich nicht aus eigener Kraft verändern oder aus dem Weg räumen kann, hilft mir die Erinnerung an die unaufhaltsame Macht des Wassers. Ich vertraue darauf, dass auch ich einen Weg finden werde. Das Wasser sagt mir: ‚Lass sich ändern, was sich ändern will.‘

 

Es gilt das gesprochene Wort.

29.08.2019
Eberhard Hadem