Wort zum Tage
Gemeinfrei via Unsplash/ Ross Sneddon
Kindermund tut Wahrheit kund
von Pfarrer Eberhard Hadem
23.02.2023 06:20
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Der Winter ist noch nicht vorbei. In Bayern fahren in diesen Tagen viele Menschen in die Berge um ihre Winterferien dort zu verbringen. Mich beschäftigt dennoch mehr der emotionale Winter, der sich in vielen Seelen breitgemacht hat.

In den letzten beiden Jahren hatte ich den Eindruck, als sei unser Miteinander, unser Mitgefühl, in ein frostigeres Klima geraten. Auch in diesem Jahr sind die Herausforderungen in Deutschland und Europa gewaltig. Die Ärmsten und Schwächsten erfahren die Verschärfung der Lage an Leib und Seele. Und mit ihnen sorgen sich eine immer größer werdende Zahl von Menschen, die bisher nicht reich waren, aber ein sicheres Gefühl hatten. Ihre Angst, wie es weitergehen soll, drückt sie wirtschaftlich, beruflich und privat. Ein Erkalten in der Seele nehme ich bei vielen Menschen wahr, denen in dieser Zeit eine Perspektive fehlt. Es ist schwer, dass Unbehagen in Worte zu fassen. ‚Winter in der Seele‘ trifft es für mich am ehesten. Mich bekümmert dieser Winter.

Wie so oft sind es die Kinder, die einem etwas Wichtiges zeigen. Eine Freundin zum Beispiel erzählt von ihrer Tochter Emma. Die langweilt sich. Die Mutter will ihr eine Aufgabe geben, die Emma eine Weile beschäftigt hält, weil sie selbst noch so viel erledigen und sich dafür konzentrieren muss. Aus einer Zeitschrift reißt sie ein Foto heraus, das den wunderschönen blauen Planeten Erde zeigt, aufgenommen aus dem Weltall. Das zerschneidet die Mutter in kleine Puzzleteile. ‚Da, leg das Puzzle mal zusammen‘, sagt sie zu Emma und geht zurück an ihren Schreibtisch. Drei Minuten später ist die Kleine da und nimmt die Mutter bei der Hand. Erstaunlich, die ganze Welt ist genau richtig gelegt, alles stimmt, jedes Teil ist am richtigen Platz.

‚Wie hast du das gemacht?‘ fragt die Mutter. Und Emma sagt: ‚Auf der Rückseite war ein Mensch, der mit ausgestreckten Armen und Beinen dasteht. Den habe ich zusammengelegt, dann alles umgedreht, schon war ich fertig.‘

Ein bekanntes jüdisches Sprichwort lautet: Rette einen Menschen und du rettest die ganze Welt. Mit den beiden Seiten des Puzzles vor Augen leuchtet es mir unmittelbar ein: Mühe und Mut lohnen sich. So dass ich das Unbekannte der Zukunft, das Dunkle und Graue und damit die Ungewissheit in diesen ersten Monaten des Jahres anschauen kann. Im Wissen, dass die Welt noch nicht in Ordnung ist, sie aber in Ordnung gebracht werden kann.

Es wird schon, könnte die kleine Emma sagen. Ein Erwachsener würde vielleicht sagen: Halte das Winter-in-der-Seele-Gefühl noch ein wenig aus. Noch ist nicht Frühling. Aber er kommt.

Es gilt das gesprochene Wort.