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Sendung zum Nachlesen
Gestern wurde in evangelischen Gottesdiensten eine der mitreißendsten Szenen des Neuen Testaments vorgelesen: Jesus reitet auf einem jungen Esel durch das Jerusalemer Stadttor. Um ihn herum jubeln Menschen mit dem Freudenruf „Hosianna!“. Sie wedeln mit Palmzweigen. Große Aufregung, große Aufbruchstimmung. Da kommt der, der ein anderes Reich verkündet. Keine unterdrückende Herrschaft wie sie die Menschen bisher kennen. Die Luft muss nach Freiheit riechen.
Aber nicht lange. Die Erzählung bleibt bei diesem Jubel nicht stehen. Vielmehr stürzt das Hochgefühl rasant in die Tiefe: Jesus wird verraten, gekreuzigt und begraben. Und dann die große Stille.
Und jetzt die Karwoche. Auch wenn auf sie das Fest der Auferstehung Jesu folgen wird, durch die Woche der Besinnung, der Stille und der Trauer muss ich durch. Und die würde ich gerne vorspulen.
Vorspulen – macht das nicht einiges leichter? Das fragte sich wohl auch der junge Vater in der Schlange beim Bäcker. Als er mit seiner Tochter an der Hand wartet, fällt ihm das Schild auf, das die Brötchen von gestern bewirbt: 50 Prozent Preisnachlass. Schon dem Kunden vor ihm wird die Auskunft gegeben, dass die Brötchen von gestern aus seien.
„Ich hätte gerne die Brötchen“, bittet der Vater, „die morgen von gestern sein werden.“ Seine Tochter schlägt die Hand vors Gesicht. So ein neunmalkluger Papa. Die frischen Brötchen von heute werden morgen die Brötchen von gestern sein. Da hat er Recht. Und vielleicht ist dies auch sein taktischer Schachzug, um am nächsten Tag nicht wieder die Schnäppchen zu verpassen. Aber seine Taktik geht nicht auf. Denn so läuft es nicht, wir können Momente nicht vorziehen, die Zeit nicht vorspulen.
„Der morgige Tag wird für das Seine sorgen“, sagt Jesus. (Matthäus 6,34) Bei ihm heißt das zugleich: Für den morgigen Tag wird Gott sorgen. Daraus spricht ein großes Vertrauen. Es hilft mir beim Sortieren der Tage. Eins nach dem anderen, nicht vorspulen. Jedem Tag sein Eigenes lassen. Das ist genug. Vielleicht sogar öfter ein Genuss: Denn schließlich schmecken die Brötchen, die heute von heute sind, immer noch am besten.
Das Ganze bedeutet für mich jetzt: Die Karwoche nicht vorspulen wollen, sondern ihre Tage annehmen und hinsehen. Mich berühren lassen. Auch wenn es wehtun wird.
Es gilt das gesprochene Wort.