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No risk, no fun
Eine Maxime und ihre Chancen
12.08.2023 10:00

Sommerrodeln

Mit meiner fast achtjährigen Enkelin saß ich in einer Sommerrodelbahn. Auf einer Strecke von 1000 Metern rasten wir mit knapp vierzig Stundenkilometern dahin und mussten enge Kurven bei einer Höhe von teilweise acht bis neun Metern über dem Boden passieren. Wir hingen teilweise sehr schräg, ja fast waagerecht in der Luft. Jugendliche und Kinder, die uns vorausfuhren oder hinter uns her rasten drückten ihren Enthusiasmus durch fortdauerndes Gekreische aus, das unaufhörlich eine Geräuschkulisse im Tal bildete. Klar, meine Enkelin teilte diese Begeisterung und tat sie ebenfalls lautstark kund. Ich jedoch war in der ersten Runde fast ausschließlich mit mir selbst beschäftigt. Trotz der Sicherheit, die die solide Stahlkonstruktion von Anfang an vermittelte, und trotz der stabilen Gurte, mit denen wir angeschnallt waren, bekam ich weiche Knie und schlotternde Beine. In den ersten Sekunden war ich sogar unfähig, den Bremsmechanismus zu tätigen, der mir geholfen hätte, die Geschwindigkeit sofort zu drosseln. Erst in der zweiten Runde konnte ich mit gehobenem Blick fahren. Nun bemerkte ich auch einen weiteren älteren Mann und später eine ältere Frau. Auch sie hatten Sehnsucht nach einem längst vergessenen Gefühl, bemerkte ich, leicht schmunzelnd. Ohne Enkelin an Bord konnten sie das Tempo besser an ihre altersgemäßen Bedürfnisse anpassen. In der dritten und letzten Runde konnte ich schließlich gelassen und entspannt mit meiner Enkelin scherzen und herzlich lachen. Es machte sogar Spaß, mit ihr auf diesem prekären Gefährt in dieser Höhe das Abenteuer gemeinsam zu genießen.

Wie lässt sich ein derartiger Spaß definieren, bei dem man gleichzeitig schlotternde Beine hat? Zumindest hat mir dieses Wagnis geholfen, den unerschöpflichen Erfahrungshorizont wieder zu entdecken, der in derartigen Erlebnissen steckte. Für meine Enkelin habe ich mich selbst überwunden, meine selbstgezogenen Grenzen überschritten, und es hat Spaß gemacht. Es hat sich als etwas Besonderes angefühlt.

Abrahams Wagnis

Mich und mein Wagnis mit dem Erzvater Abraham zu vergleichen, ist vermessen. Und doch hat mich meine Erfahrung an Abrahams großes Wagnis erinnert. Die Bibel erzählt von den Erzeltern Sara und Abraham, die ihr Abenteuer erst im hohen Alter starten. Abraham war 75 und Sarah nicht viel jünger. Sie brechen auf aus Ur im Zweistromland Richtung südliche Levante. Sie sind Nomaden und ziehen ca. 1500 km weit weg, lassen alles hinter sich, Familie und Heimat. Die Worte, die Abraham zu seinem Aufbruch bewegen, machen klar, was der Preis ist: Er soll fortgehen »aus seinem Land«, »aus seiner Verwandtschaft« und »aus seinem Vaterhaus«. Gott selbst fordert Abraham und Sara zu diesem Wagnis auf. Sein Versprechen: Er will Abraham und Sarah mit Nachkommen segnen und sie zu Eltern eines großen Volkes machen. Sie lassen sich auf das Wagnis ein. Ob ihre Beweggründe allein Vertrauen oder auch Neugier und Abenteuerlust waren, ist nicht überliefert. Ihr Vertrauen und ihr Glaube wird schließlich mit reichem Segen und vielen Nachkommen belohnt.

»No risk, no fun«?

Junge Menschen lassen sich viel leichter auf Nervenkitzel ein, die mit Risiken gespickt sind. Sie sind oft abenteuerlustig, suchen sich selbst zu erfahren, indem sie ihre Grenzen testen, ob beim Wellenreiten oder Bergsteigen, beim Fußball oder beim Skaten. Aber sie stoßen damit Türen zu neuen Erfahrungen auf, die sich bereichernd auf ihr Leben auswirken. Etwas Wagen ist einerseits ein riskanter Vorstoß ins Unbekannte. Und zugleich ergeben sich so neue Chancen, auch wenn nicht vorher erkennbar ist, welche Entwicklung und welcher Ausgang am Ende stehen.

Auf den Sturm folgt der Regenbogen

»Denke daran, wenn es einen Sturm gibt, wird es einen Regenbogen geben«, heißt ein afrikanisches Sprichwort. Es setzt auf die Hoffnung, nicht auf Angst, auf Glauben, nicht auf die eigene Sicherung des Augenblicks. Das gilt im Alter wie in der Jugend, für Erzväter wie für jugendliche Draufgänger. Die Risiken grundsätzlich zu ignorieren wäre ein fataler Ansatz. Aber sich in Sicherheiten zu verschanzen, verbaut dem Menschen potenzielle Glückseligkeiten.

Sendungen von Pfarrer Jean-Félix Belinga Belinga