Morgenandacht
Gemeinfrei via unsplash/ John Moeses Bauan
Good News: Tiny Forests
Morgenandacht von Vikarin Anna Julia Weingart
30.01.2024 05:35

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„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“, soll Martin Luther gesagt haben. An manchen Tagen fühlt es sich so an: Als würde die Welt morgen untergehen. Krieg, Rechtsruck, Artensterben. So viele miese Schlagzeilen jeden Tag.

Das mit dem Apfelbäumchen wäre wohl besser heute als morgen dran. Aber warum dann eigentlich nur ein Apfelbäumchen? Warum nicht gleich einen kleinen Wald?

Azuki Miyawaki war ein Botaniker in Japan. Er pflanzte Wälder und brachte es dabei zur Perfektion. Seine Wälder wachsen 10-mal schneller und 30-mal dichter als andere. 1978 pflanzte er den ersten Wald dieser Art neben der Yokohama Universität. Normalerweise braucht es zwischen 100 und 300 Jahren, bis ein Wald voll ausgewachsen ist. Nicht so der Miyawaki Wald.

Knapp 40 Jahre nach der ersten Pflanzung spaziert ein Student an dem inzwischen voll ausgewachsenen Wald der Universität vorbei. Er bleibt stehen, blickt hinauf in die meterhohen Baumkronen und wundert sich: Wie vorsichtig muss man beim Bau der Uni gewesen sein, dass dieser Wald nicht zerstört wurde? Die Antwort ist simpel: Niemand musste vorsichtig sein. Denn der Wald wurde lange nach dem Bau der Universität gepflanzt. Erstaunlich ist nicht der Bau der Uni. Erstaunlich ist dieser Wald.

Solche „Miyawaki Forests“ oder auch „Tiny Forests“ gibt es mittlerweile in vielen Ländern, seit 2019 auch in Deutschland. Sie kennzeichnet: Schnelles Wachstum, dichte Bepflanzung, enorme Artenvielfalt und: ihre Größe. Sie sind oft nur so groß wie ein Tennisplatz und heißen deshalb auch „Tiny Forests“.

Jeder einzelne von ihnen ist eine Antwort auf Waldrodung, Klimawandel und Artensterben. Jeder einzelne von ihnen ist ein stoisch-trotziger Verwandter von Luthers Apfelbäumchen. Jeder einzelne von ihnen ist eine gute Nachricht. Ich brauche solche guten Nachrichten.

Eine einzelne schlechte Nachricht zieht oft einen ganzen Rattenschwanz an Folgeschäden mit sich. Das Gute ist: Gute Nachrichten machen das auch.

Zum Beispiel die Tatsache, dass ein Tiny Forest 30-mal dichter bepflanzt ist als herkömmliche Wälder. Dicht bepflanzt heißt, der Wald braucht weniger Platz für die gleiche Menge Pflanzen. Er kann mitten in der Stadt auf kleinen Freiflächen wachsen. Dort sorgt er im Sommer für Schatten und Luftfeuchtigkeit. Bei Regen verringert er die Gefahr von Überschwemmungen, denn der Waldboden kann sich vollsaugen wie ein Schwamm. Er verbessert die Luftqualität und obendrauf beschleunigt die dichte Bepflanzung auch noch das Wachstum des Waldes: Je dichter der Wald, desto höher die Konkurrenz um Sonnenlicht. Die Pflanzen im Tiny Forest müssen schnell hoch hinaus.

Das Geheimnis der Miyawaki-Wälder ist die Arbeit, die zuvor in den Boden gesteckt wird. Der Boden wird analysiert und ein möglichst breiter Mix aus heimischen Pflanzen zusammengestellt. Am Pflanztag sieht man Ehrenamtliche gemeinsam im Dreck wühlen. Vom KiTa-Kind bis zu den Großeltern. Mit Schaufeln wird das abgesteckte Stück Land umgegraben, alle haben feuchte Erde an Handschuhen und Regenjacken. Mulch, Stroh und Dung wird unter die Erde gegeben, damit der Wald genug Nährstoffe findet. Schließlich wird die bunte Mischung aus Setzlingen in die Erde gepflanzt. Und nach drei Jahren steht dort: Ein junger Wald.

Tiny Forests sind wie der Name schon sagt „tiny“, klein. Gegen große Firmen, die industriell Wälder abholzen, bewirken sie nichts. Aber direkt und vor Ort bewirken sie viel: für Boden, Luft und Wasser und auch für die Anwohner:innen: als grüne Oasen.

Gute Nachrichten wie diese zeigen, was Menschen trotz all der schlechten Nachrichten machen. Das Richtige bleibt eben richtig, auch wenn es die Welt nicht rettet.

Kleine grüne Stadtoasen und Luthers Apfelbaum. Damit gehe ich in den heutigen Tag.

Es gilt das gesprochene Wort.