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Die Sendung zum Nachlesen:
Von Frankfurt am Main, wo ich wohne, ist es eine halbe Stunde Fahrt mit der S-Bahn nach Hanau. Dort findet heute um 14.00 Uhr eine bundesweite Gedenkdemonstration statt. Sie erinnert an die neun Menschen, die ein Rechtsextremist vor vier Jahren aus rassistischem Hass erschossen hat. Im Anschluss tötete er seine Mutter und sich selbst.
Heute vor vier Jahren lebten diese neun Menschen noch. Zwei Tage später, am 19. Februar 2020, tötete der Attentäter sie innerhalb von zehn Minuten. Einer von ihnen, der 22-jährige Vili Viorel Păun, hatte die Schüsse am ersten Tatort in Hanau beobachtet. Er versuchte erst, den Attentäter mit seinem Auto zu blockieren. Als das nicht gelang, fuhr er dem Täter hinterher. Auf der Fahrt rief er mehrmals die Polizei an – vergeblich. Der Rassist ermordete ihn mit einem Schuss durch die Windschutzscheibe.
Mehrere der Toten waren in Hanau geboren oder aufgewachsen. Einige waren aus anderen Städten in Hessen oder anderen Teilen der Republik nach Hanau gezogen. Sie waren alle jung. Zwischen 21 und 37 Jahren alt. Alle verbindet, dass sie aus Familien mit Migrationsgeschichte kommen. Das reichte dem rassistischen Attentäter, sie zu töten.
Wer behauptet, die Gefahr des Rechtsextremismus werde übertrieben, den und die sollte die Erinnerung an die Ermordeten von Hanau verstummen lassen. Und nicht allein Hanau. Die Angehörigen der Ermordeten von Hanau schreiben in ihrem Aufruf für die heutige Gedenkdemonstration: „In den letzten vier Jahren kam es immer wieder zu Begegnungen von Überlebenden und Angehörigen. Wir haben uns versammelt zu gemeinsamen Gedenken an die Opfer von Hanau, von Halle, von Dessau, Köln, Duisburg, München, Dortmund und vielen mehr.“ (1)
Sie wollen nicht nur Betroffenheit und Lippenbekenntnisse. Sie fordern „lückenlose Aufklärung rechter, antisemitischer und rassistischer Morde und Gewalttaten“. Ihr Erinnern an ihre Tochter, Söhne, Brüder, an die Mutter, den Vater, die Enkelin und die Enkel hat Konsequenzen. Erinnern heißt verändern. Sie setzen sich ein „für eine Gesellschaft, in der Rassismus, antimuslimischer Rassismus, Antiziganismus und Antisemitismus nicht die Normalität sind, für niemanden. In der wir nicht auf den nächsten Anschlag warten, sondern sicher und gemeinsam leben können“.
„Say Their Names“ ist ihre Forderung seit dem Anschlag von Hanau vor vier Jahren. Sagt ihre Namen! Es ist zugleich das Versprechen, das sie den Ermordeten geben: „Wir tragen eure Namen überall hin. Wir vergessen euch nicht. Wir werden keine Ruhe geben.“
Der Name eines Menschen steht für seine Geschichte, für seine Unverwechselbarkeit. Die Eltern haben sich vor der Geburt Gedanken gemacht, wie sie ihr Kind nennen. Viele Namensbedeutungen drücken einen Wunsch aus, den die Eltern ihrem Kind für sein Leben mitgeben. Sedat bedeutet „der Rechtschaffene“, Mercedes „die Barmherzige“.
Im Islam gibt es die Vorstellung, dass am Ende aller Zeit jede Seele mit ihrem Namen aufgerufen wird. Und die Bibel spricht vom „Buch des Lebens“ (2), in dem die Namen der Verstorbenen geschrieben stehen. Kein Name wird getilgt. Kein rassistischer Hass kann ihre Namen auslöschen. Sie stehen in Gottes Buch der Lebendigen. Gott ruft sie bei ihrem Namen.
Say Their Names. Namen statt einer Zahl. Die Zahl neun ist etwas anderes als die neun Namen der Menschen, die der Rassist vor vier Jahren in Hanau erschossen hat. Ihre Namen sind: Gökhan Gültekin, ermordet mit 37 Jahren. Sedat Gürbüz, 29 Jahre. Said Nesar Hashemi, 21 Jahre. Mercedes Kierpacz, 35 Jahre. Hamza Kurtović, 22 Jahre. Vili-Viorel Păun, 22 Jahre. Fatih Saraçoğlu, 34 Jahre. Ferhat Unvar, 22 Jahre. Kaloyan Velkov, 33 Jahre.
Es gilt das gesprochene Wort.
Literaturangaben:
- https://19feb-hanau.org/wp-content/uploads/2024/01/Jahrestag-2024-Demonstration-Initiative-19.-Februar-Aufruf-DIN-A4-210x297-4c-final_Drucken.pdf.
- z. B. Psalm 69; Philipper 4,3; Offenbarung 3,5.