Morgenandacht
Sterben – aber richtig!
19.11.2016 05:35

Hätte der Reformator Martin Luther diese Schrift heute geschrieben, sie trüge den Titel: „Was am Ende wirklich zählt „ oder „Was wir für gutes Sterben tun können“. Er aber nannte sie seiner Zeit gemäß und darum heute etwas sperrig: „Sermon von der Bereitung zum Sterben.“

 

Von Sterben und Tod zu sprechen, heißt: hier ist der Alltag vorbei. Das war zu Luthers Zeiten nicht anders als heute. Was man heute aus dieser Schrift lernen kann: Das Sterben war zu Luthers Zeiten nicht leichter, und der Tod nicht normaler. Auch wenn die Lebenserwartung geringer und die Kindersterblichkeit groß war – an das Sterben hatte man sich auch damals nicht „gewöhnt“. „Ich habe“, schreibt Luther, „meiner Kinder etliche sterben sehen und weiß, dass solche Sachen weh tun.“

 

Den Umgang seiner Zeitgenossen mit dem Tod beschreibt Luther so: Die einen versuchen es auf eine stoische Art und Weise zu nehmen und sagen: „Deine letzten Tage musst du weder fürchten noch herbeiwünschen.“ Es ist, wie es ist – und damit genug.

 

Dann gibt es Menschen, die „um das Übel zu mildern, in der Gegenwart ganz frei ihren Lüsten den Zügel schießen lassen“ nach den Worten: Iss, trink und spiele, nach dem Tode gibt es kein Vergnügen mehr.“ Sie sagen sich: Was wird uns im Jenseits erwarten? Wahrscheinlich nichts. Also ist es besser, wenn wir noch einige vergnügte Monate haben. Aber, so fragt Luther, betrügen die sich nicht selbst? Sind sie wirklich so locker, wie sie tun?

 

Besonders schlecht kommen bei Luther aber die Pfarrer weg. Sie würden bei ihren Leichenpredigten sagen: Der Tod sei eine Art „Hafen, in welchen wir geborgen und sicher seien vor allem Leiden und Unglück.“ Das ist zwar gut gemeint. Aber mit solchen Reden, sagt Luther, würde der Tod verkleinert. Es sei blind, vom Tod zu behaupten, er sei kein Übel. Jeder von uns „fühlt und erfährt“ doch das Gegenteil. Der Tod bleibt ein brutaler Abschied. Es sei, schreibt Luther, „ein heftiges Schleudern, durch welches wir zum Tod hingerissen werden.“

 

Wie aber sollen wir dann mit dem Tod umgehen? Über den Tod sollen wir nachdenken, solange es uns noch gut geht. „Im Leben soll man sich mit dem Gedanken an den Tod beschäftigen und ihn vor uns treten heißen, solange er noch ferne ist und uns noch nicht bedrängt“ heißt es in Luthers „Sermon von der Bereitung zum Sterben“. Wenn es aber ans Sterben geht, dann soll man nicht mehr grübeln und zweifeln, dann soll man vielmehr zuversichtlich werden.

 

Luthers Rat: Wenn der Tod ganz nahe ist, sollen wir nicht mehr an den Tod denken. Im Sterben soll man sich an das halten, was uns tröstet. An die Hoffnung auf das ewige Leben, an Gottes Gnade und an den Himmel. Es gilt, die Schreckensbilder des Todes mit den Trostbildern des Glaubens zu überdecken. Ja, man könnte sagen: Luther rät: Lenkt euch ab, stellt euch all die tröstlichen Bilder vor Augen, die uns das Leben und der Glaube an Jesus Christus schenkt. Der Sterbende soll darum den Tod als einen „tiefen, starken, süßen Schlaf ansehen“, und das Grab als ein „sanftes Ruhebett.“ Und wenn dann die letzte Stunde gekommen ist, soll man sich „lauter holdselige und fröhliche Anblicke des Lebens“ vergegenwärtigen.

 

Soweit Luther vor 500 Jahren in seinem Ratgeber über den Umgang mit dem Tod. Was würde er heute sagen? Zu den Kranken, die fühlen, dass sie nicht mehr lange leben werden? Zu denen, die verlegen am Bettrand sitzen und nach einem unverfänglichen Gesprächsthema suchen? Nichts anderes, denke ich, würde Luther zu ihnen sagen. Denn der Tod ist heute kein anderer als damals, ein brutaler Abschied, der weh tut. Luthers Rat also: „Mit dem Tod sollt ihr euch beschäftigen, solange er noch fern ist. Auch heute, an diesem Novembermorgen.“ Und zu denen, deren Tod schon ganz nahe ist, würde er sagen: „Was immer auf dich zukommt, glaube daran: Du bist nicht allein. Gott ist bei dir mit allen seinen Engeln. Denn: „Er hat dich seinen Engeln anbefohlen, auf den Händen sollen sie dich tragen und dich bewahren, wo du auch hingehst.“