Vom Frieden reden
Morgenandacht von Pfarrer Jost Mazuch
28.09.2023 06:35

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Ich will wieder mehr vom Frieden reden. Gerade in dieser Zeit, in der jeden Tag über Krieg gesprochen wird, gesprochen werden muss. Aber nicht der Krieg, sondern der Friede ist die erste Aufgabe für uns Menschen. Und die schwierigste. Krieg anzetteln ist einfach. Aber wie macht man Frieden? Kann man das lernen? Ich selbst bin aufgewachsen in der sogenannten Nachkriegs-Zeit. Schon diese Wortwahl zeigt: Man traute damals dem Frieden nicht. Obwohl der Zweite Weltkrieg schon zehn Jahre zurücklag, war er in meiner kleinen Kinderwelt ständig präsent. Mein Vater war Soldat gewesen, an Körper und Seele schwer verwundet war er zurückgekommen. Auch meine Mutter war von den Folgen des Kriegs geprägt, von Zerstörungen und dem Verlust der Heimat. Und mein Großvater, der schon im Ersten Weltkrieg Soldat gewesen war, erklärte mir: Jede Generation erlebt ihren Krieg. Ich glaubte ihm das und fürchtete mich davor.

Diese Zeit war eingeklemmt zwischen den Schrecken der Vergangenheit und der Angst vor dem, was kommt. Bezeichnenderweise wurde sie nicht Friedenszeit genannt, sondern Kalter Krieg. Obwohl es seit Jahrhunderten die längste Friedensperiode in Deutschland war und bis heute ist. Doch die Kriegslogik bestimmte weiterhin das Denken.

Es gab aber auch einen Ort, da war das anders. Schon bei der Begrüßung hieß es dort: Friede sei mit euch! Was das ist, dieser Friede, das blieb auch in der Kirche geheimnisvoll. Wenn in den Gottesdiensten, die wir besuchten, vom Frieden die Rede war, spürte ich: Das war ein Wunsch, eine Sehnsucht. Da wurde die Hoffnung auf eine andere Welt geweckt. Auch der Pfarrer, der da auf der Kanzel stand, war vom Krieg gezeichnet. Er hatte nur noch einen Arm; den anderen ersetzte eine Prothese. Aber er erzählte nicht vom Krieg, sondern sprach in den einfachen, starken Sätzen und Bildern der Bibel vom Frieden:

"Es kommt eine Zeit, da werden die Völker ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder Mensch wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie erschrecken." (Micha 4,3-4)

Bei uns am Niederrhein gab es keine Weinstöcke; da wuchsen auch keine Feigen. Vielleicht hat sich mir gerade deshalb dieses einfache Bild des Friedens so tief eingeprägt. Ruhig und unerschrocken leben, einen Ort haben zum Wohnen und Bleiben, schöne Früchte ernten zum Sattwerden und Genießen. Was braucht ein Mensch, um im Frieden zu leben?

Auf jeden Fall auch das andere: Das Ende der Bedrohung und der Angst. Dass die Schwerter und Spieße verschwinden. Statt Waffen: Werkzeuge für Felder und Gärten.

Das habe ich im Lauf meines Lebens verstanden: Den Frieden kann man nicht einfach herstellen, nicht mit Waffen und nicht mit Siegen. Damit beendet man allenfalls den Krieg. Friede aber ist mehr. Zu der biblischen Vision vom Frieden gehört immer, dass alle Menschen gerechte Lebensbedingungen bekommen. Dass niemand unterdrückt oder bedroht wird. Da wird mir abverlangt, den Blick von mir selbst und meinen Bedürfnissen abzuwenden und auf die Situation der anderen zu richten, womöglich auf Menschen, die mir feindselig gegenüberstehen. Friede ist kein Zustand, sondern ein Ziel, zu dem Menschen immer wieder aufbrechen. Er bleibt eine dauerhafte Aufgabe, für jede Generation von neuem.

Darum will ich wieder mehr vom Frieden reden als vom Krieg. Und daran glauben, dass das wahr wird: Wir werden gemeinsam unterm Feigenbaum sitzen und beim Weinstock und einander das Leben gönnen.

Es gilt das gesprochene Wort.