Sendung zum Nachlesen
Sie tun aktiv etwas gegen Rassismus. Über hunderttausend Menschen sind in dieser und der vergangenen Woche in Deutschland zusammengekommen, in Kirchengemeinden und Theatern, bei Sport und Musik. Rassismus war das Thema bei über 1800 Veranstaltungen an vielen Orten: Filmtage und Ausstellungen, Vorträge, Diskussionen und Workshops. Juden und Muslime luden in ihre Gotteshäuser ein. Menschen fanden Wege, einander zu begegnen. Warben für mehr Offenheit, schärften ihre Wahrnehmung und suchten nach Strategien, dem alltäglichen Rassismus ein Miteinander in Vielfalt und Akzeptanz entgegenzusetzen.
Gestern war der Internationale Tag gegen Rassismus. Die Vereinten Nationen haben 1966 diesen Gedenktag ausgerufen. Er erinnert an das "Massaker von Sharpeville", bei dem am 21. März 1960 die südafrikanische Polizei im Township Sharpeville 69 friedlich demonstrierende Menschen erschoss. In Deutschland sind aus diesem einen Tag mittlerweile zwei "Internationale Wochen gegen Rassismus" geworden, einfach weil so vieles stattfindet.
Bei vielen dieser Veranstaltungen wurde der Opfer des rassistischen Terroranschlags in Christchurch in Neuseeland gedacht: Der 50 Menschen, die beim Gebet in Moscheen am letzten Freitag dort ermordet wurden, von einem rechtsradikalen Fanatiker; und der vielen Verletzten. Auch in unserer Kirche haben wir für die Menschen in Neuseeland gebetet. Man kann dem Hass und der Menschenverachtung etwas entgegensetzen, Zeichen der Verbundenheit und des Mitfühlens. Sie sind wichtig. Über Grenzen von Staaten und Kontinenten hinweg, zwischen den verschiedenen Religionen bekräftigen Menschen einander: Wir lassen uns nicht trennen durch rassistische Propaganda, Aktionen und Anschläge. Wir wollen nicht verzweifeln über solche abgründigen Taten und Worte.
Ja, es ist ein Abgrund, der sich da auftut. Bei den Morden in Christchurch. Und bei den Reaktionen darauf im Internet: Millionenfach wurde die Selbstdarstellung des Täters in den Netzwerken weiterverbreitet. Den selben Abgrund sehe ich in hassverzerrten Gesichtern rechtsextremer Demonstranten. Und in den wieder zunehmenden antisemitischen Äußerungen und Angriffen. Doch nicht nur dort. Manchmal erkenne ich auch in meinem eigenen Inneren Abgründe, eine ungewollte Vorsicht oder Ablehnung in meinen Gefühlen und Reaktionen, als Weißer, Westeuropäer, Mann und Christ.
Rassismus ist eine der mächtigsten und destruktivsten Ideologien. Er betont tatsächliche und konstruiert angebliche Unterschiede zwischen Menschen. Er wertet die vermeintlich "Anderen" ab und legitimiert damit den Anspruch, Macht über sie auszuüben, bis hin zur Ausübung von Gewalt. Rassismus ist weltweit wirksam. Sein Gift durchtränkt viele Schichten des menschlichen Zusammenlebens. Er macht die Menschen klein, auch die, die sich mit ihm stark fühlen. Er verletzt alle Seelen.
Rassismus ist Sünde. Das haben die christlichen Kirchen nach einem langen schmerzlichen Erkenntnisprozess bekannt. Schmerzlich deshalb, weil sie erkennen mussten: Wir sind auch darin verstrickt. Das ist gar nicht so einfach, zu sehen: Ich selbst, meine Kirche, mein Land haben damit etwas zu tun, es ist auch mein Problem. Doch es ist eine befreiende Erkenntnis. Vieles, was so verunsichert im Zusammenleben, lerne ich in der Begegnung besser einzuordnen. Was ich für normal oder selbstverständlich halte, ist eben nur eine Sicht.
Rassismus ist Sünde. Aber die Sünde soll nicht über Menschen herrschen. Rassistische Prägungen zu erkennen und zu überwinden, bleibt eine dauerhafte Aufgabe. Wahrnehmen, was geschieht, und nicht wegschauen. Auch die Perspektive anderer Menschen kennenlernen, die andere Erfahrungen haben. Offen darüber reden, aufeinander hören, voneinander lernen. Wenn viele Menschen damit anfangen, wie in dieser Woche, dann ist das bei aller Trauer ein Grund zur Hoffnung.
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Es gilt das gesprochene Wort.