Gemeinfrei via unsplash/ Jay Wennington
Samstagabend in der Bahn
von Vikarin Britta Kirchner
13.07.2024 06:20
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Samstagabend. Zwei Mädchen sitzen mir im Zug schräg gegenüber. Sie tragen schwarze Jogginganzüge und Party-Make-up. Unterhalten sich über Freundinnen und über Jungs. Zeigen sich Bilder auf dem Handy. Lachen miteinander. In der Sitzgruppe daneben sitzen vier Jungs. Auch sie sind gut drauf. Stecken die Köpfe zusammen, schauen gemeinsam Videos und hören Musik.

Und dann beginnen die beiden Mädchen mit den Jungen zu quatschen. "Wer seid ihr? Wie alt seid ihr? Wo fahrt ihr hin?" Ich habe schon das Gefühl, da wird versucht zu flirten. Und die Jungs erzählen: "Wir waren heute auf dem CSD in Hamburg." Die beiden Mädchen nicken total begeistert, fragen aber: "CSD? Was ist das…?" Die Jungen klären auf: "Der CSD, der Christopher Street Day." Und da fällt der Groschen bei den Mädchen: "Ach, seid ihr schwul? Hätte ich jetzt nicht gedacht…"

Mir wird etwas mulmig. Ich habe Sorge, dass da zwei fremde Welten aufeinanderstoßen. Ich habe Angst davor, dass es eskaliert. So oft höre ich, mit welchen Vorurteilen homosexuelle und queere Menschen im Alltag konfrontiert werden. Lese im Internet, wie Betroffene von Beleidigungen und Übergriffen erzählen.

Aber meine Sorge ist hier völlig unbegründet Diese sechs Jugendlichen unterhalten sich weiter ehrlich und offen miteinander. Die beiden Mädchen sind total neugierig, geben zu, dass sie nicht so viel Ahnung von dem Thema haben: "Habt ihr denn alle einen Freund? Und, wenn ich fragen darf: Wann wusstet ihr denn, dass ihr schwul seid? Wie geht eure Familie damit um? Habt ihr auch Freunde verloren?" Und die Jungen erzählen ganz offen. Am Ende verabschieden sie sich freundlich voneinander.

Ich bleibe zurück und fühle mich großartig. Wenn Menschen so miteinander umgehen, dann freue ich mich auf die Zukunft. "Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Geschwister einträchtig beieinander wohnen!", heißt es in der Bibel (Psalm 133,1). Das mit den Geschwistern erweitere ich mal auf Menschen überhaupt und das beieinander Wohnen kann auch das Nebeneinander in der Bahn meinen.

Wenn das einträchtig ist, zeigt sich der Segen Gottes. Ich glaube, genau so stellt Gott sich das Leben unter Menschen vor: Wie diese jungen Mädchen, die sich ganz offen auf etwas Neues eingelassen haben. Wissbegierig. Und die Jungen, die auch die etwas persönlichen Fragen gern beantworten. Manchmal kommt mir der Hass in unserer Welt sehr laut vor. Und da bin ich froh, dass es auch solche friedvollen Momente gibt. Samstagabend. Irgendwo in der Bahn.

Es gilt das gesprochene Wort.