Der Stern von Bethlehem

St.-Jakobi-Kirche Peine
Der Stern von Bethlehem
Gottesdienst aus der Ev.-Luth. St.-Jakobi-Kirche Peine
10.01.2016 - 10:05

Über den Gottesdienst

Der Stern von Bethlehem steht im Mittelpunkt des Gottesdienstes aus Peine. Junge Sternsinger sind zu hören. Zwei Wochen lang waren sie unterwegs, um Menschen ihren Segen zu bringen. Pastor Frank Niemann beleuchtet in der Predigt die Erzählung von den „Weisen aus dem Morgenland“, die alles haben stehen und liegen lassen, um ihrem Stern zu folgen. Der Gottesdienst fragt, welchem Stern Menschen heute folgen. Lieder und Gebete unterstützen den festlichen Charakter des Gottesdienstes, der von Lektorinnen und Lektoren der Gemeinde mit gestaltet wird.

Die Kirchenkreiskantorei St. Jakobi und Instrumentalisten musizieren unter der Leitung von Kirchenkreiskantor Christof Pannes. Zu hören sind Sätze des jüdischen Komponisten Louis Lewandowski und von Johann Sebastian Bach aus dem Weihnachtsoratorium das „Fallt mit Danken“. Die Orgel spielen Marc Ossadnik und Christof Pannes.

Die St.-Jakobi-Kirche liegt im Zentrum der Stadt Peine, eine Stadt mit 50.000 Einwohnern, ungefähr 35 Kilometer östlich von Hannover gelegen. Die im Neogotischen Stil 1899 eingeweihte Kirche ist berühmt für ihre Farbigkeit und die kunstvoll gestalteten Kirchenfenster.

 

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Die Predigt

Liebe Gemeinde,

Wo kamen sie eigentlich her, die Drei? Wie lange waren sie unterwegs? Wohin sind sie wieder aufgebrochen? Man erfährt im Grunde nur sehr wenig über die drei Weisen aus dem Morgenland. Könige, Sterndeuter, Magier, Weise? Es ist wie häufig in den biblischen Geschichten: Das Kino im Kopf ist gefragt. Die eigene Vorstellung füllt die Lücken, das Weiße zwischen den Zeilen wird zu Buchstaben der Erzählung.

 

Ein Stück Lindenholz in der Hand, ein scharfes Messer zum Schnitzen. Das Holz hatte er eingespannt, die Proportionen angelegt. – Ein Holzschnitzer aus dem Erzgebirge; ich habe ihm eine Zeit lang über die Schulter geschaut. Er ist ganz routiniert bei der Sache und hat schon Arme und Beine aus dem Holz herausgearbeitet. Einer von den drei heiligen Königen soll es werden. Gespannt bin ich, welches Alter er ihm geben wird, welches Gesicht. Ein eher junges, ein älteres, von Erfahrungen gezeichnetes? Wird es auch bei ihm so sein, dass von den Dreien einer älter, einer jung ist, und ein Farbiger dabei?

 

So hat es sich ja herausgebildet und dann festgesetzt in unseren Köpfen und die Vorstellungen geprägt: Kaspar, Melchior und Balthasar. Sogar Namen haben sie bekommen, damit sie nicht die Anonymen bleiben. Dabei ist es mit ihnen ja ähnlich dem Stern, dem sie gefolgt sind: Sie tauchen aus dem Nichts auf und nach einer Zeit sind sie wieder verschwunden. Und sind es doch wiederum auch nicht: Buchstaben sind sie geworden, eine ganze, alte Geschichte; Legende und Tradition, lebendig in Krippenspielen; und als Sternsinger unterwegs seit Matthäus von ihnen erzählt hatte. Einem Stern waren sie gefolgt, ihrem Leitstern für den Weg ins Unbekannte, ins ganz Neue. Aus dem Osten her hatte der Stern ihnen den Weg gezeigt.

 

Als der Holzschnitzer seine Arbeit weiterführt, sehe ich: das Gesicht hat Konturen bekommen, Falten sind eingegraben um den Mund herum. Die Figur geht aufrecht, das Gesicht leicht erhoben. Seine Körperhaltung hat nichts Resigniertes an sich. Ich sehe ihm die Strapazen des Weges an. Aber ich sehe ihm auch an, dass er finden wird, was er suchte bzw. wen er suchte. In den Zügen seines Gesichtes liegen neben Last und Mühe zugleich auch Ruhe und Gewissheit.

 

Sie sind ihrem Stern gefolgt, liebe Gemeinde. Der war ihnen zum Zeichen geworden. Aufbruch. Nach Westen. In das Land, welches für viele das „gelobte“ heißt. Sie sind allein unterwegs gewesen, nur bei Nacht, um den Stern nicht zu verlieren.

Magier waren sie im ursprünglichen Wortsinn der Bibel. Sternkundige, Wissenschaftler, die damals den Lauf der Sterne berechneten. Sie hatten auch das Deuten gelernt. So wussten sie von einem einzigartigen Ereignis, der Geburt eines neuen Königs. Und so hatten sie sich auf den Weg gemacht. Für uns heute unvorstellbar weit und schwer, nachts die Kälte oder in der Hitze der Tage, unendliche Schritte weit aus dem Osten, wo die Sonne aufgeht, aus dem Morgenland.

Wir müssen das nicht romantisieren, liebe Gemeinde. Bilder von Menschen unterwegs sind heute wieder allgegenwärtig und bedrückend. Sie fliehen vor dem Krieg, und sie fliehen mit viel zu kleinen Booten über das Wasser und zu Fuß auf den viel zu langen Wegen, als würde ihnen auch ein Stern die Richtung weisen. Ihr Stern sagt ihnen: Sicherheit, Leben ohne Angst, ohne Bomben, ohne Terror, Frieden. Gut, dass viele dazu beitragen, dass ihr größter Wunsch sich ein bisschen wenigstens erfüllt. Dass sie etwas Ruhe finden, bevor wieder die Fragen anfangen. Was wird mit Frau und Kindern? Wo können wir eine Bleibe finden? Wo finden wir Arbeit?

Bei allem, liebe Gemeinde, was wir von den drei Sterndeutern erzählen, wissen wir: sie kommen aus der gleichen Richtung, denselben Ländern, die heute Syrien oder Irak heißen oder Iran oder Jordanien, nach Jerusalem. Sie werden dieselben Strapazen erlebt haben – aber sie waren eben nicht auf der Flucht. Zu Urbildern der Suchenden und Findenden sind sie geworden.

In meiner Vorstellung sind sie sehr gebildet. Wissenschaftler. Keine Quacksalber oder Scharlatane mit windigen, einschmeichelnden Deutungen. - Reich? Muss nicht unbedingt sein. Keine Könige jedenfalls, und die Geschenke müssen auch nicht riesig ausfallen, eher wie wertvolle Kleinigkeiten stelle ich mir das vor.

So kommen sie dann nach Jerusalem und gehen zu Herodes, vor dem sie gewarnt sein werden. Wie lange werden sie dort gewartet haben auf die Klärung ihrer Frage? Vielleicht auch voller Angst vor seinem legendären Zorn und seinen Ränken. Die Antwort: „In Bethlehem werdet ihr ihn finden.“ „Bethlehem?“ „Ja, Bethlehem, wie wir es in den Schriften gefunden haben.“

Und so sehen wir sie wieder weiterziehen in der Dämmerung, und mitten in der Nacht erreichen sie Bethlehem. Der Stern leitet sie. Und irgendwie freue ich mich mit ihnen. Sie haben gefunden: Das Haus, die Mutter, das Kind. Und wie in Zeitlupe sehen wir: sie verneigen sich ganz tief, und als ob das noch nicht genug sei, werfen sie sich nieder. Und liegen auf dem Boden, tief im Staub vor der Hoheit des Gottes Sohnes, des Davidsohnes, des Christus und Immanuel.

 

 

Ihrem Stern waren die drei gefolgt, hatten gefunden, was sie suchten. Gottes Stern hatte sie begleitet und geleitet. Und sie fallen nieder und beten. Sie liegen tief gebeugt am Boden neben dem Holz der Feuerstelle, neben den Töpfen und Körben für den täglichen Gebrauch. Und dann erheben sie sich wieder holen ihre Schätze raus. Und mit den Kästen, die sich öffnen, öffnen die drei auch sich selbst.

Wieder ist es dann ein Traum in der Nacht, der sie beschützt, ist es Gott, der über sie wacht wie bisher mit seinem Stern. Und sie brechen auf und gehen auf einem anderen Weg in ihr Land, nicht zurück zu Herodes.

Ganz kurz und knapp, beinahe lakonisch, schließt die Erzählung, liebe Gemeinde. Sie nehmen einen anderen Weg zurück. Jetzt ist es nicht mehr nur der Stern, sondern es wird deutlich: Gott selbst ist es, der mit ihnen ist auf ihren Wegen. Der Stern war sein Symbol. Ihn brauchen sie jetzt nicht mehr, weil sie ja Gott selbst in dem Kind gefunden haben, in seinem Sohn Jesus Christus. Er wird sie weiterhin begleiten.

Und so können wir sie ganz getrost ziehen lassen und der Obhut Gottes und seinem Segen anvertrauen. Welch eine große Tradition ihnen dann gefolgt ist, welch eine große Bewegung sie bis heute ausgelöst haben, davon haben wir am Anfang schon gehört. Überall – bis heute - ziehen die Sternsinger ihrem Stern hinterher. Ein schönes Bild, finde ich. Der Stern erzählt ja nicht nur von den Königen, sondern immer auch von Gott, der ihnen und uns nahe ist.

Und wir Sternläufer, Suchenden? Welchem Stern folgen wir? Gibt es etwas, das uns leitet und Geleit gibt. Das uns angerührt hat und uns wieder aufbrechen lässt auf anderen Wegen als bisher? Welcher Stern leitet uns? Ich habe nachgefragt und Antwort bekommen.

 

Mein Stern heißt Verantwortung und Mitgefühl. Diese Werte wurden mir von meiner gut evangelisch lutherischen Großmutter vermittelt. Sie hat mich geprägt.

Für mich heißt das ganz konkret: Ich übernehme Verantwortung, indem ich ehrenamtlich die Erzieherinnen unserer Kitas unterstütze, und den Eltern helfe, die dringend Hilfe benötigen.

Kinder, die mit ihren Angehörigen in unser Land gekommen sind, um hier bei uns sicher zu leben, wollen gerne lernen. Ihnen helfe ich, mit unserer Sprache zurechtzukommen, damit sie dem Unterricht folgen können…und ich will ihnen zeigen, dass sie bei uns willkommen sind.

 

Mich weist der Stern immer wieder auf Jesus Christus hin. Er hat sich für die Menschen eingesetzt, besonders für die Schwachen. So wird Gottes Liebe zu den Menschen und damit auch zu mir erfahrbar. Das verändert auch meinen Blick auf meine Mitmenschen, für die ich mich unabhängig ihrer Herkunft einsetzen möchte. Ich weiß mich getragen von Gottes Liebe, wenn ich auf diesem Weg an meine Grenzen stoße.

 

Auf den Konfirmandenfahrten, die ich als Teamer begleitet habe, wollte ich den Konfis dabei helfen, sich selbst in der Kirche wiederzufinden. Dass sie ihren ganz eigenen Platz, ihre Rolle in der Gemeinschaft erfahren und diese Bedeutung schätzen lernen. Diese Erkenntnis war es, die mein eigenes Interesse geweckt und mich dazu bewegt hat, in der Gemeinde mitzuwirken als ich selbst noch Konfirmand war.

Jetzt studiere ich evangelische Theologie für das Grundschullehramt und möchte den Grundschulkindern in Zukunft das Gleiche vermitteln.

 

Viele ganz unterschiedliche Ansätze gibt es, viele ganz unterschiedliche Folgerungen können es sein, liebe Gemeinde. Wir erfahren Gottes Liebe, und Gott selbst setzt uns auf den Weg. Zu unseren Mitmenschen unabhängig ihrer Herkunft, zu Familien mit Kindern, die uns brauchen, zu Kindern, die unsere Sprache noch nicht sprechen, ins Studium mit dem Fach Religion für die schule, damit wir weitersagen können, was wir selbst empfangen haben.

Wir sind nicht allein auf dem Weg. Die Sterndeuter waren zu dritt, wir in der Kirche, in den Gemeinden sind viel mehr. Und jede und jeder von uns hat so einen guten Leitstern. Einen Stern, der davon erzählt, woher meine Kraft kommt, woher meine Hoffnung sich speist, woher ich meine Ideen finde und woraus ich mein Leben lebe. Und auf welchen Wegen ich weitergehe und wohin sie mich führen. Vielleicht eben zu Menschen, die mich dringend brauchen.

Und natürlich sind es unendlich viele Sterne, die wir für uns entdecken, denen wir folgen können. Sie alle sind Splitter, Spiegelbilder des einen Sterns von Bethlehem, der den Sterndeutern den Weg gezeigt zum Christuskind.

Nicht zu vergessen, liebe Gemeinde, nicht bei Tage, im hellen Sonnenschein, ist der Stern zu sehen, sondern in der Dunkelheit; und in der Dämmerung erschient er als Morgenstern und leuchtet in den aufziehenden Tag hinein. Gottes Hoffnungszeichen - für uns. Amen.