„Luther und Inklusion“

Gottesdienst

Fotograf: H. Franck

„Luther und Inklusion“
Gottesdienst aus der Evangelischen Stiftung Alsterdorf Hamburg
31.10.2016 - 10:05

Über den Gottesdienst

Schülerinnen und Schüler der Bugenhagenschule gestalten den Rundfunkgottesdienst zum Reformationstag 2016 im Deutschlandfunk.  Mit ‚Pauken und Trompeten‘ beginnt das Jubiläumsjahr „500 Jahre Reformation“ in der Bugenhagenschule zwar nicht, wohl aber mit Klatschen, Stampfen, Pferdegetrappel und Amboss-Schlägen auf einem Metallophon. Unter dem Motto „Wir sind alle Gottes Kinder“ bringen rund 300 Schülerinnen und Schüler neben einem Auszug aus Luthers Leben auch Lieder aus dem Luther-Pop-Oratorium zu Gehör, gesungen vom Chor. Im Sinne des Reformators Johannes Bugenhagen nehmen die Kinder und Jugendlichen die Kirche auch im Radio selbst in die Hand, zum Beispiel mit einem Hörspiel der Lerngruppe „Wölfe“ und Liedern zum Mitsingen wie ‚Du bist da, wo Menschen leben‘.

„Wir feiern den Gottesdienst am Reformationstag so, wie es die Kinder bei uns gewohnt sind“, erzählt die Diakonin der Schulgemeinde Freifrau Patricia von Massenbach-Wahl: „Mit Geräuschen, Bewegung und dort, wo Kinder mit und ohne Behinderungen besonders gut zusammenfinden: in unserer Turnhalle“.

In der Perspektive „Luther und Inklusion“ wird der Reformationstag 2016 in verschiedenen Gemeinden der Ev.-luth. Kirche in Norddeutschland gefeiert. „Für uns in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf ist das besonders wichtig“ so der Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Hans-Stephan Haas. „Wir glauben: jedes Kind ist Gott willkommen, jedes Kind hat Gaben und Fähigkeiten, die wir fördern wollen“.

Die Freunde klassischer Musik werden dabei nicht zu kurz kommen. Das Ensemble der Bugenhagenschule wird auch Werke von Johann Sebastian Bach und Alessandro Scarlatti zu Gehör bringen. Am Piano: Sebastian Sprenger.

 
Gottesdienst zum Nachhören

Kurz nach der Ausstrahlung im Radio wird die Sendung hier zum Nachlesen und Anhören veröffentlicht werden.

 

Hörspiel und Predigt zum Nachlesen

Mit Martin Luther verbinde ich das lebendige Erzählen von biblischen Geschichten. Seine Übersetzung der Bibel hat die Geschichten, vor allem aber die, die von Gottes Liebe erzählen, für viele Menschen erfahrbar gemacht. Wir bekommen auch heute so Gelegenheit, die Texte der Bibel in unserer Sprache zu hören, zu verstehen und sie für uns zu deuten.

Wir, die Schülerinnen und Schüler hier in den Stufen I kennen Martin Luther vor allem als denjenigen, der vor vielen Jahrhunderten biblische Geschichten aus dem Griechischen und Hebräischen übersetzt hat, so dass wir sie verstehen können.

Ein kluger Mann, ein mutiger Mann, ein Freund von Johannes Bugenhagen.

Wer ist Martin Luther?

Vielleicht gibt uns der Kinderchor eine Antwort mit einem ersten Chorstück. Dieses und auch zwei weitere stammen aus dem Luther-Poporatorium. Der Mitarbeiter-Projektchor unserer Stiftung wird mit weiteren Chören von insgesamt 1400 Sängerinnen und Sänger dieses Poporatorium im nächsten Jahr zur Aufführung bringen. Und auch dort wird sich genau wie heute hier die Frage gestellt werden: Wer ist Martin Luther?

 

Chor: Wer ist Martin Luther?

 

In einer der Geschichten, die Martin Luther übersetzt hat, spielen Kinder eine wichtige Rolle. Wir werden nun erleben, wie die jahrgangsgemischte Lerngruppe der Wölfe diese Geschichte mit Geräuschen für sich und für uns interpretiert.

 

Sprecher: Maria ist ein Mädchen von 10 Jahren. Sie beschäftigt sich vor dem Haus. Mit einem Ast malte sie Bilder in den sandigen Boden (Murmeln rollen). Das war ihre Lieblingsbeschäftigung. Aber vor einiger Zeit war Maria wütend (dunkle Töne auf Metallophon). Sie schimpfte vor sich hin:

„Immer sagt meine Mutter, ich bin zu jung, nie darf ich dabei sein!“

 

Sprecher: Maria dachte an ihre Mutter und an die ältere Schwester – an den Teig, den sie kneteten, an das Brot, das sie im Ofen hinter dem Haus backen wollten. (Klappern mit Schüsseln und Löffeln)

Sie hörte ihre Mutter sagen: „Du bist noch zu jung, dich können wir jetzt nicht gebrauchen!“ Mit diesen Worten haben sie Maria auf die Straße geschickt. Plötzlich hörte Maria Stimmen, Frauenstimmen und Kinderstimmen… (Stimmengemurmel)

Es wurden immer mehr. Was war da los? Wer war da unterwegs? Es war doch noch gar keine Zeit zum Wasserholen am Brunnen! (Wasserplätschern) Eine Gruppe von Frauen und Kindern kam näher. Maria kannte einige.

 

Kinder: „Komm doch mit!“

Maria: „Wohin geht ihr denn?“

Kinder: „Wir gehen zu Jesus.“

Maria: „Zu Jesus?“

Kinder: „Ja, hast du noch nichts von ihm gehört? Er kann tolle Geschichten erzählen. Er hat Kranke gesund gemacht. Er hat die Kraft von Gott. Er soll uns segnen.“

Maria: „Den will ich auch sehen.“

 

Sprecher: Da ging Maria mit den anderen mit (Schritte), obwohl sie sich am Anfang ein bisschen komisch vorkam. Denn die anderen Kinder hatten sich schön gemacht für diesen Jesus: hatten die Haare gekämmt, Hände und Gesicht gewaschen (Wasserplätschern), und saubere Kleidung angezogen.

Nach einem langen Weg kamen die Frauen und Kinder zum Brunnen am Marktplatz. Reges Treiben herrschte dort. (Hufgeräusche –Kokosnüsse, klimpernde Münzen, Gemurmel, Amboss-Schläge, Pferde-Wiehern)

 

Händler, und andere Marktschreier schrien laut, um ihre Ware anzupreisen.

Händler 1: „Leute kauft bei mir. Frische Ziegenmilch, gutes Ziegenfell!!“ (Ziege: „Mähhhh“)

Händler 2: „Tonkrüge, gute Qualität, greift zu, bevor nichts mehr da ist!!“ (Klopfen auf Tonkrug)

Händler 3: „Hier gibt es das beste Leder weit und breit, kauft bei mir ihr werdet es nicht bereuen!!“ (Reiben auf einer Trommel)

 

Sprecher: Maria war beeindruckt. Welch ein buntes Treiben. (Gemurmel, Hufgeräusche – leise) Ganz gefangen von der Atmosphäre, bekam sie gar nicht mit, wie die Gruppe sich auf einen großen Baum zu bewegte.

Kind 1: „Maria, träum nicht!“ (Glissando mit Glockenspiel)

Kind 2: „Komm mit, dort drüben unter dem großen Baum ist Jesus!“

Kind 3: „Komm schon!“

 

Sprecher: Dort unter diesem großen Baum, der mit seinen vollen Blättern ein großes Dach bildete, stand Jesus. Er war im Schatten und um ihn herum saßen und standen viele Leute und hörten ihm zu, wie er etwas über Gott erzählte. (Oceandrum)

 

Chor: Am Anfang war das Wort

 

Sprecher: Maria hatte, bei der Menschenmenge vor ihr, gar keine Möglichkeit, etwas von Jesus zu sehen oder zu hören. Die Frauen aus der Gruppe von Maria wurden ungeduldig, als sie den Menschenauflauf sahen. Einige Frauen riefen. (Gemurmel)

Frau 1: „Lasst uns zu Jesus!“

Frau 2: „Lasst uns durch, wir wollen nach vorne.“

Frau 1 und Frau 2: „Er soll unsere Kinder segnen!“

 

Sprecher: Sie wollten sich durch die Menschenmenge nach vorn drängeln. Aber zwei Männer, Jünger von Jesus, hielten sie zurück.

Jünger 1: „Seid leise, merkt ihr nicht, dass ihr mit eurem Geschreie stört?“

Jünger 2: „Und ihr Kinder, geht weg, ihr seid zu jung!“

Jünger 3: „Ihr versteht sowieso nicht, was Jesus sagt!“ (Donnertrommel) parallel

 

Sprecher: Da war es wieder, „zu jung“, dachte sich Maria. Enttäuscht schauten sich die Frauen um, damit haben sie nicht gerechnet. Sie überlegen umzukehren.

Frau 1: „So habe ich mir das nicht vorgestellt.“

Frau 2: „Hannah, sagtest du nicht, dass Jesus für alle da ist?“

Frau 1: „Müssen wir uns das gefallen lassen?“

Frau 2: „Was können wir nur tun?“ (Dreiklänge in Moll auf Klangstäben)

 

Sprecher: Auch die Kinder wussten nicht, was sie tun sollen. (Dreiklänge in Moll auf Klangstäben)

Kind 1: „Schade, ich hatte mich so gefreut von Jesus gesegnet zu werden.“

Kind 2: „Ich auch.“

Kind 3: „Ich auch.“ (Ein Dreiklang in Moll auf Klangstäben)

 

Sprecher: Da hörten sie eine Stimme. Es ist Jesus, der zu ihnen herüber spricht.

Jesus: „Lasst die Kinder zu mir kommen! Steht ihnen nicht im Weg. Ich bin für alle da!“ (Triangel)

 

Sprecher: Jesus ging den Kindern entgegen. Maria war ganz in seiner Nähe. Jesus ging auf sie zu. Er legte seine Hände auf ihren Kopf.

Jesus: „Wie heißt du?“ (Triangel)

Maria: „Maria.“

Jesus: „Wie meine Mutter. Maria, ich segne dich im Namen Gottes. Er will dir ein guter Freund sein. Er ist immer für dich da.“ (Triangel)

 

Sprecher: Dann umarmte er sie. Und so wie er Maria gesegnet hatte, so segnete Jesus jedes einzelne Kind. Erst jetzt fiel Maria ein, dass ihre Haare ungekämmt und ihre Hände schmutzig waren.

Maria: „Das hat Jesus nichts ausgemacht. Zu ihm darf ich kommen, wie ich bin.“ (Dreiklang in Dur auf Klangstäben)

 

Sprecher: Die Jünger Jesu verstanden nicht, was Jesus machte.

Jünger 1: „Hast du das mitbekommen?“

Jünger 2: „Das kann doch nicht wahr sein!“

Jünger 3: „Unverschämt diese Frauen, was bilden die sich eigentlich ein?“

Jünger 1: „Und Jesus lässt sich darauf auch noch ein.“

Jünger 2: „Ich kann es nicht glauben!!“ (Donnertrommel parallel)

 

Sprecher: Da wandte sich Jesus an sie.

Jesus: „Gott ist für alle Menschen da: Vor allem für die, die sonst wenig beachtet werden. Für die, die zur Seite geschoben werden, weil sie stören. Und wer auf Gottes neue Welt nicht neugierig und unbefangen zugeht wie ein Kind, wird nicht hineinkommen.“ (Dreiklang in Dur auf Klangstäben)

 

Sprecher: Später ging Maria mit den anderen Kindern und Frauen nach Hause. (Schritte)

Da sagte Maria: „Danke, dass ihr mich mitgenommen habt, mir geht es jetzt viel besser als heute Morgen, Danke.“ (glissando auf Glockenspiel)

 

Sprecher: Zuhause hatten die Mutter und die Schwester inzwischen Brot gebacken und den Tisch gedeckt. (Teller und Besteckgeklapper)

Maria war nicht mehr wütend. Sie war froh und dachte:

Maria: „Für Jesus und für Gott – für die bin ich nicht zu jung.“

(Dreiklang in Dur auf Klangstäben)

 

Chor: Wir sind Gottes Kinder

 

 

„Wenn du ein Kind siehst, hast du Gott auf frischer Tat ertappt.“ Dieser Satz von Martin Luther zeigt, dass Martin Luther die Kinder wichtig waren. Auch Martin Luther hatte kindliche Züge im Sinne von kindhaftem Gottesvertrauen und kindlicher Neugier. Neugierig auf das Leben, neugierig auf die Menschen, neugierig auf das, was es in der Bibel zu finden und zu entdecken gibt.

Martin Luthers Gottesvertrauen war auf seinem Lebensweg immer eine Stütze. Er war sich gewiss, dass er mit all seinen Schwächen und seinem Unvermögen zu Gott kommen durfte und dort angenommen war. Er fühlte sich von Gott eingeladen, eingeladen zum Leben, eingeladen in der Liebe. Diese Erkenntnis und diese davon ausgehende Zuversicht wollte er den Menschen zukommen lassen. Dies war der wichtigste Grund seine Bibelübersetzungen.

In der biblischen Geschichte der Kindersegnung geht es darum, dass alle Menschen, die wie Kinder sind, zu Gottes Reich gehören. Wir haben einen gerechten und liebenden Gott, der uns liebt und der es gut mit uns meint.

Jesus sagt im Prinzip: „Werde wie ein Kind!“ Und er knüpft eine Bedingung daran: Wer das Reich Gottes nicht aufnimmt wie ein Kind, der kommt da gar nicht hinein.

Mit anderen Worten: Man kann mit Gott keinen Kontakt haben, man kann zu Gott nicht gehören, wenn man nicht eine kindliche Haltung hat. Diese Haltung beinhaltet nicht kindliches, altersgerechtes Verhalten, und meint auch nicht, dass Kinder unschuldig seien. Jesus meint in der Geschichte, dass wir als Erwachsene ein kindliches, also uneingeschränktes Vertrauen haben müssen, ein Vertrauen zu Gott, der zu uns wie ein liebender Vater und wie eine schützende Mutter ist (Jes. 66, 13).

Dieses Vertrauen kann ich haben, weil ich immer wieder die Zuversicht bekomme, dass ich so angenommen bin, wie ich mit all meinen Schwächen bin.

Man kommt nicht durch Leistungen in Gottes neue Welt, sondern durch das Vertrauen und durch das Annehmen von Gottes Liebe. Werde wie ein Kind, dann ist dies möglich. Gott will uns damit sagen: „Lass dich von mir segnen. Ich bin bei dir in diesem Leben und ich schenke dir ewiges Leben.“ Amen.