Seht, da ist euer Gott

Gottesdienst
Seht, da ist euer Gott
Gottesdienst aus der Konstantinbasilika Trier
04.12.2016 - 10:05
Über den Gottesdienst

„Seht, da ist euer Gott“ – mit diesem Satz hat der Prophet Jesaja auf die Ängste und die reale Bedrohung seines Volkes reagiert. Auch heute sind viele Menschen verunsichert und haben Angst vor der Zukunft. Was ändert sich, wenn man die Adventsbotschaft auf sich wirken lässt? Wenn man daran glaubt, dass Gott in unsere Welt kommt? Wenn Advent gefeiert wird? Um diese Fragen geht es im Adventsgottesdienst aus der Konstantin-Basilika in Trier. Es predigen und feiern mit der Gemeinde Pfarrer Thomas Luxa und Prädikant Martin Schulte.

Der Gottesdienst findet in der ältesten Stadt Deutschlands statt- der Stadt Trier, berühmt durch seine vielen römischen Kulturdenkmäler. Alle sind sie Bestandteil der UNESCO-Welterbeliste, auch die Konstantin-Basilika, ehemals Thronsaal des Kaisers Konstantin, vor 1500 Jahren aus den Resten zu einer evangelischen Kirche neu erbaut. Die Kirchenmusik spielt eine große Rolle in der Konstantin-Basilika. Am 1. Advent 2014 wurde die neue Eule-Orgel eingeweiht, eine Stiftung des Landes Rheinland-Pfalz. An dieser Orgel spielt Kantor Martin Bambauer im Gottesdienst, er leitet auch den Trierer Bachchor und das Kammerorchester der Konstantin-Basilika. Zu hören sind Auszüge aus der Bachkantate für den 2. Advent „Wachet! betet! betet! wachet!“ (BWV 70).

 

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Predigt nachlesen

Gnade und Friede sei mit euch, vom dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

 

Liebe Gemeinde hier in der Kirche und am Radio,

was ist für Sie der Angstmacher des Jahres 2016? Ist der Krieg in Syrien? Oder der Krieg im Osten der Ukraine? Sind es die Terroristen des IS, die nicht nur im Irak und in Syrien Unheil anrichten, sondern auch bei uns in Europa Bomben zünden und Menschen angreifen?  Oder gilt Ihre Sorge eher den globalen Veränderungen: dem Klimawandel oder dem Vordringen von Krankheitserregern, gegen die kein Medikament mehr hilft?

Es gibt reichlich Gründe, Angst zu haben, und jeder von uns kennt das Gefühl, wenn die Knie weich werden, wenn sich die Kehle zuschnürt  oder das Herz klopft.

 

Hinzu kommt: mit Ängsten werden auch noch Geschäfte und sogar Politik gemacht. Pharmafirmen und Apotheker warnen vor Ansteckungsgefahren und Krankheiten, die überall lauern und bieten Gegenmittel an. Putzmittelhersteller wollen, dass wir gegen die Keime in unserem Haushalt verstärkt zu Felde ziehen. Finanzinstitute wollen, dass wir uns gegen Altersarmut und wachsendem Pflegebedarf absichern und Produkte der Vorsorge kaufen.

Nicht anders ist es in der Politik. Mit der Rede  von Flüchtlingsströmen werden Ängste geschürt als ginge es um Naturgewalten, die unsere Existenz bedrohen. Dabei geht es jetzt erst einmal um Menschen, die in ihrer Existenz bedroht sind. (Offenbar ist das Schüren von Ängsten für die Heilsbringer dieser Welt ein lohnendes Geschäft: Es erhöht den Umsatz und die Zahl der Wähler.

 

All die begründeten und angemessenen Ängste und die falschen Versprechungen hat schon der alttestamentliche Prophet Jesaja gekannt. Deshalb ruft er seinem Volk zu, sich nicht verführen zu lassen und die Ängste zu überwinden. Und wie er das meint, beschreibt er im 35. Kapitel. Es ist der heutige Predigttext.

 

Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! 4Sagt den verzagten Herzen: „Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.“

 

Wie wohltuend hebt sich die Botschaft des Jesaja von den falschen Heilsversprechungen unserer Tage ab! Seine Botschaft ist so ganz anders als die, die wir täglich in den Medien hören, sehen und lesen. Dem dröhnenden „Habt Angst und folgt uns!“ setzt er sein „Fürchtet Euch nicht!“ entgegen.

 

Dieses „fürchtet Euch nicht“ begegnet uns in der Bibel immer wieder. Immer wenn Gott Menschen beauftragt, sich in seinem Namen auf den Weg zu machen, dann gibt er ihnen sein „fürchte dich nicht!“ mit. Immer, wenn Gott Menschen anspricht, beginnt er mit diesem Satz: „fürchte dich nicht“. Das ist die Anrede Gottes auch an uns: fürchte dich nicht!

Aber warum sollen wir uns nicht mehr fürchten?

 

Jesaja sagt: „Fürchtet euch nicht – seht, da ist euer Gott. Gott ist da. Schaut auf ihn und die Angst wird ihre Macht verlieren.

Es ist also nicht die Bedrohung, die verschwindet. Es ist Gott, der kommt. In einer Welt, in der soviel zum Fürchten ist, geht dem kommenden Gott die Botschaft voraus: fürchte euch nicht.

 

Siehe, da ist euer Gott! Sagt Jesaja. Aber wo können wir denn Gott sehen? Ist Gott nicht  unsichtbar? Und schon gar nicht zu begreifen?

Wir Christen sagen:

Wir können Gott sehen. Weil Gott Mensch geworden ist. Unser Gott kommt als hilfloses Kind in unsere Welt. Als Kind in der Krippe in einem Stall. Das feiern wir an Weihnachten.

Was wir sehen, ist aber nicht Glanz und Gloria. Was wir sehen können,  ist nur Armut und Schlichtheit. Statt Macht und Rache sehen wir nur ein wehrloses Kind, ganz auf die Liebe der Menschen angewiesen, die um ihn sind.

 

Gott kommt als Kind in die Welt, damit wirklich niemand mehr Angst haben muss. Gottes Macht ist deshalb so überzeugend, weil sie nicht auf Angst und Schrecken baut. Gott baut seine Herrschaft auf menschliche Nähe, auf Solidarität und eine Liebe, die nicht von dieser Welt ist.

 

Siehe, da ist euer Gott! Er ist das Kind in der Krippe. Er ist aber auch der Mann am Kreuz. Das Kreuz, an dem Jesus Christus stirbt. „Fürchtet Euch nicht“. Wenn das jemand sagt, der selber Angst und Schmerz erlebt hat, dann haben die Worte noch einen anderen Klang.

 

„Fürchtet Euch nicht“ – diese Botschaft geht einem Gott voraus, der das Leben liebt und für diese Liebe bereit ist zu sterben. Und der, der dann Tod in Leben verwandelt, verwandelt auch uns. Dann muss Nichts mehr so bleiben, wie es immer schon war.

 

 

Die Botschaft von dem Gott, der zu uns kommt. Von Gott, der uns nah sein will. Von Gott, der so ganz anders ist als die, die in dieser Welt herrschen. Diese Botschaft wird auch uns verwandeln. Wenn wir das denn wollen. Der Prophet beschreibt diese Verwandlung mit großartigen Bildern, ja mit Sprachgemälden.

 

5 Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden.

6 Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande.

7 Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein. Wo zuvor die Schakale gelegen haben, soll Gras und Rohr und Schilf stehen.

 

Ich höre darin eine wunderbar tröstliche Botschaft: Alles, was wir hier und jetzt erleben, was uns zu Recht Angst macht und bedrängt, es ist nicht das Letzte. Es ist vorläufig, es ist ein Übergang, ein Durchgang. Oder anders gesagt: am Ende wird alles gut. Und jetzt, wo vieles nicht gut ist, ist es eben noch nicht das Ende.

 

Wenn Gott am Ende zu uns kommt, sichtbar für alle, dann wird aus Wüste furchtbares Land, dann wird aus Versehrtheit vollständige Heilung, dann wird keine Furcht, wird keine Angst mehr sein, kein Leid, kein Schmerz wird uns beherrschen und auch nicht der Tod.  Sondern: es wird Friede sein, wenn Gott da ist. Die Geknechteten und Gequälten und all die Opfer werden zu ihrem Recht kommen. Sie und wir alle werden neu, werden verwandelt werden. Was für eine große Vision. Was für ein tröstlicher Ausblick.

 

Ich höre darin auch noch eine weitere tröstliche Botschaft: Wir können schon jetzt eine Ahnung, ein Gefühl, eine innere Gewissheit davon bekommen, wie das ist. Weil wir Gottes Kraft in uns erfahren können. Wir können hier und jetzt schon die Erfahrung machen, neu, verwandelt zu werden.

 

Wir können schon jetzt sehend werden, sprachfähig werden, in Bewegung kommen, Versöhnung erleben, erfrischt und befreit werden. Etwas von dem Ziel, auf das wir zugehen, strahlt schon jetzt in unser Leben.

 

Die Geschichte, auch unsere eigene Lebensgeschichte, ist voll von Beispielen, auch wenn wir sie anders beschreiben würden als Jesaja das tut.

 

Ein Bild des Friedens und des Miteinanders ist für mich wenn z.B. bei uns auf dem letzten Gemeindefest eine alte Dame, die vor Jahrzehnten aus Russland gekommen ist, mit einem 8-Jährigen Mädchen, das im vergangenen Jahr aus Syrien geflüchtet ist zusammen die Tische abwischt.

 

Versöhnung heißt für mich, wenn der katholische Stadtdechant am Reformationstag hier in dieser Kirche in einem Sessel vor dem Altar sitzend vergnügt von seinen Erfahrungen mit dem Protestantismus erzählt und dabei die anwesenden Evangelischen sogar zum Lachen bringt.

 

Liebe Gemeinde, liebe Hörerinnen und Hörer, die Welt, in der wir leben, ist keine heile Welt. Und doch können wir schmecken, fühlen und sehen, was es bedeutet, heil zu werden.

 

Weil Gott sagt: fürchte dich nicht. Auch wenn du wahrhaft Grund hast, dich zu fürchten. Auch wenn die Welt voll erschreckender Botschaften ist.

 

Gott wird kommen und die Welt und uns neu machen. Daran wollen wir glauben. Darauf wollen wir warten und hoffen. Jetzt im Advent.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.