Goldene Äpfel

Gedanken zur Woche
Goldene Äpfel
19.06.2015 - 06:35
03.04.2015
Pfarrer Burkhard Müller

„Ein Wort, geredet zu rechter Zeit, ist wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen.“

So redet die Bibel von hilfreichen Worten, die Hoffnung und Leben stiften.

 

Als 2008 in der beginnenden Finanzkrise Menschen anfingen, in großen Mengen Bargeld abzuheben, haben Angela Merkel und Peer Steinbrück öffentlich versprochen: Die Sparbücher sind sicher.

 

Sie retteten die Situation. Dafür hätten sie goldene Äpfel auf silbernen Schalen verdient.

 

Eine Zitrone statt eines goldenen Apfels verdient dagegen eine Äußerung am Anfang dieses Jahres aus „Regierungskreisen“ in Berlin. Mitten im griechischen Wahlkampf hieß es, ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro sei wirtschaftlich kein Problem.

 

Also war ein Grexit denkbar? Bei so unsicherer Zukunft legt kein Investor auch nur einen müden Euro in Griechenland an! Und die reichen Griechen schaffen ihr Geld ins Ausland. Der beginnende Aufschwung kippte nach unten.

 

Dagegen hätten Politiker Goldene Äpfel auf silbernen Tabletts verdient, wenn sie gemeinsam erklärt hätten:

Der Euro bleibt in Griechenland sicher!

 

Seit 2008 geistert durch die bundesdeutsche Sprachlandschaft die Rede von der sparsamen schwäbischen Hausfrau. Sie scheint das geheime Leitmotiv und volkswirtschaftliche Programm für die Sanierung Griechenlands geworden zu sein: Sparen, sparen, sparen.

Aber mit Sparen allein macht man keinen Aufschwung. Das Ergebnis in Griechenland ist ein unvorstellbarer Armutsschub nach unten.

Die Schuldfrage ist lang und komplex. Armut und Arbeitslosigkeit sind hart und direkt. Sparen jedenfalls ist kein Wort zu rechter Zeit mehr. Ein Marshallplan muss her. Die Schwäbische Hausfrau muss mit einer sauren Zitrone aus dem volkswirtschaftlichen Denken Europas verabschiedet werden.

 

Irren ist menschlich. Darum bekommt das beliebte Narrativ vom fleißigen Deutschen und vom faulen Südländer keine Zitrone, aber auch keinen goldenen Apfel.

Die Zitrone geht an die Presse, die statt rechter Worte falsche Zahlen verbreitet: 56 Jahre sei das von den Griechen zum Sparen angebotene Renteneintrittsalter, im Land der anständigen schwäbischen Hausfrau seien es real 64 Jahre – meldet Bild.

Und Hausfrau, Wolfgang Bosbach und die Kritiker der Euro-Rettungspolitik fühlen sich für ihre Strenge moralisch gerüstet. Durch Wiederholung wie Sonntag bei Günther Jauch werden die Zahlen nicht richtiger. Faule Zahlen sind das, nicht faule Griechen.

Kein Jahr sind nach OECD-Zahlen das griechische und das deutsche Renteneinstiegsalter auseinander, bei rund 61 Jahren. Und beim Urlaub sind die Deutschen spitze.

 

Noch eine Zitrone für Worte vom letzten Wochenende: „Der rotzfreche Tsipras solle seine Hausaufgaben machen“, sagte Volker Kauder und verlängert eine lange sprachliche Entgleisungs-Geschichte, in der man spöttisch, von oben herab und ohne Respekt von der griechischen Regierung spricht.

 

 

Wahrscheinlich denkt er bei den Hausaufgaben an das, was die Troika den Griechen ins Aufgabenheft geschrieben hat.

Hausaufgaben sind aber für eine demokratisch gewählte Regierung immer erst die Willenserklärungen ihrer Wähler. Und die Griechen wollten: keine weitere Verarmung der Armen!

 

Ich fürchte, dass unsere Politiker so oft und so böse über die griechische Regierung geredet haben, dass sie jetzt nicht zurückrudern können, selbst wenn sie aus humanen, wirtschaftlichen, europäischen oder geopolitischen Gründen Griechenland nicht pleite gehen lassen wollten.

 

Eine Griechin, der ich gestern meine Gedanken für diese Sendung erzählte, sagte: „Das ist ja alles falsch! Griechenland braucht den Grexit!“ und verpasste so mir eine Zitrone.

 

 

Gestern wollten die Finanzminister der Eurozone ihre sehr verschiedenen Ansichten auf einen Nenner bringen. Was dabei herausgekommen ist, haben Sie eben in den Nachrichten gehört. Verdient das den goldenen Apfel, weil es Leben und Hoffnung näher bringt? Oder die bittere Zitrone? Bis 8 Uhr können Sie mit mir darüber reden. Sie erreichen mich unter der Nummer 030 325 321 344.

 

Oder diskutieren Sie mit auf Facebook unter „deutschlandradio.evangelisch“.

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03.04.2015
Pfarrer Burkhard Müller