Ein Ort voller Friedensstifter

Wort zum Tage
Ein Ort voller Friedensstifter
24.11.2016 - 06:23
22.11.2016
Pfarrer Dirck Ackermann

An diesem Tag war alles anders. Sommer 2014. Ein heißer Sommer. Und heiß sind auch die Kämpfe in der Ukraine. Ich bin noch ganz gefangen von einer politischen Diskussion zwischen Russen und Deutschen in Berlin ein paar Tage zuvor. Was für eine frostige Atmosphäre da herrschte: Vorwürfe gegeneinander, große Enttäuschungen war spürbar. Wo ist sie geblieben, denke ich: die große Vision vom gemeinsamen Haus Europa, wo Menschen in Ost und West einander in Frieden begegnen.

Doch an diesem Tag ist es ganz anders. Ein praktischer Arzt aus Denkendorf in Oberbayern hat mich in seinen Heimatort eingeladen. Seit fast fünfzig Jahren setzt er sich für gute Beziehungen zwischen Deutschen und Russen ein. Mit seiner Begeisterung für die Aussöhnung hat Christian Holz viele Menschen aus seinem Ort angesteckt. Mitten im Kalten Krieg, 1980, reiste er mit Bürgermeister und Pfarrer und einer Blaskapelle nach Moskau: Auf dem Roten Platz ein Standortkonzert und Freibier. Bayerische Festzeltatmosphäre mitten in Moskau. Mitten im Kalten Krieg eine besondere Art von Tauwetter.

Auch an diesem Sommertag ist es wieder so in Denkendorf. Mindestens der halbe Ort scheint auf den Beinen: Blaskapelle, Freiwillige Feuerwehr, Veteranenverein, aber auch Politiker aus Orts- und Kreisebene, Landtag und Bundestag sind gekommen. Wir begrüßen die Gäste aus Russland. Viele sind gekommen, von weither gereist: aus Moskau, aber auch aus Wolgograd, ehemals Stalingrad, Schüler und Lehrer, Politiker und Kriegsveteranen, die die Schrecken des zweiten Weltkriegs noch erlebt haben. Wissenschaftler und Geistliche aller Konfessionen.

Sie alle sind gekommen trotz der politischen Kaltwetterfronten, ja, viele gerade deswegen. Wir reden, erzählen Geschichten aus unserm Leben. Ja, je länger das Treffen dauert, feiern wir und singen wir. Russische und deutsche Volkslieder. Festzeltatmosphäre zwischen Russen und Deutschen. Eine besondere Art von Friedensfest an einem warmen Sommertag.

Am Abend gehe ich alleine noch einmal durch den Ort, erfüllt von den vielen Gesprächen, von den Gesten eines guten Miteinanders. Auf dem zentralen Platz der Gemeinde erblicke ich ein Denkmal. Ein bayerischer Junge reicht einem russischen Mädchen die Hand zum Tanz. Zwischen ihnen blühen Blumen. Ein Denkmal der Freundschaft und des Friedens.

Was für ein besonderer Ort denke ich. Gerade wenn auf der politischen Ebene einem der Kalte Wind um die Nase weht, braucht man Orte voller menschlicher Nähe und Wärme. Wie diesen hier: ein Ort voller Friedensstifter.

22.11.2016
Pfarrer Dirck Ackermann