Das Wort zum Sonntag: "Augen auf statt Augen zu!"

Das Wort zum Sonntag: "Augen auf statt Augen zu!"
Pastoralreferentin Verena M. Kitz
27.09.2014 - 21:50

Ich habe vorgestern mein Patenkind besucht, sie ist zwölf, und wie meistens lief das Radio. Bei den Nachrichten hat sie sich plötzlich die Ohren zugehalten, als über die Isis-Kämpfer berichtet wurde. „Die machen mir solche Angst“, hat sie gesagt, „das will ich überhaupt nicht hören!“ Ich kann das gut verstehen und es geht ja auch vielen Erwachsenen so: „Ich will  überhaupt keine Nachrichten mehr sehen“, hat meine Freundin zu mir gesagt. „Wenn ich die Bilder von den Flüchtlingen sehe, die kleinen Kinder, die Mütter mit Bündeln bepackt, die Alten - sie tun mir so leid. Aber ich kann ja nichts machen!“ Beim Reden hat sie sich  richtig die Augen zugehalten, wie ein Kind, das hofft: Wenn ich das Schlimme nicht mehr sehe, ist es weg. 

 

Aber natürlich: Das Elend, da in Syrien und im Irak, das ist nicht weg, wenn ich die Augen zumache. Auch das militärische Eingreifen jetzt wird keine schnelle Lösung bringen. Wie komme ich also raus aus diesem hilflosen Augen und Ohren zumachen? Wie kann ich vielleicht doch etwas Sinnvolles tun, auch wenn ich das Leiden der Menschen dort nicht verhindern kann?

 

Wir haben diese Woche in einer Runde von Kolleginnen zusammengesessen und kamen sofort auf die Lage da im Irak und in Syrien zu sprechen. Und wie hilflos jede von uns vor dem Fernseher sitzt. Aber dann kamen im Gespräch doch ein paar andere Ideen: Die eine, sie ist verantwortlich für einige Kindergärten, hat gesagt: „Einige von den Isis-Kämpfern, die sind doch hier in Deutschland aufgewachsen. Was ist da schief gelaufen? Ich will in unseren Kindergärten noch mehr für Friedenserziehung machen. Bei uns sind Kinder aus so vielen Ländern und Kulturen zusammen. Da können wir das üben, mit ihnen und auch den Eltern: Sich nach einem Streit wieder vertragen!  Andere respektieren, die anders sind als ich!“

 

Dann hat eine andere aus unserer Runde von ihrer Kirchengemeinde erzählt: Bis zum Jahresende müssen 90 Flüchtlinge in dem kleinen Ort untergebracht werden. Sie und einige Frauen aus der Gemeinde haben sich umgeschaut: Wer kann noch   mitmachen im Ort und sie sind zugegangen auf die Leute von der Ausländervertretung und der Arbeiterwohlfahrt. Vorher gab es wenig Kontakt. Aber jetzt planen sie zusammen, wie sie die Flüchtlinge willkommen heißen können. Wie sie einen Sprachkurs hinbekommen und ärztliche Betreuung. Und wie sie mit den Leuten im Ort reden können, die Vorbehalte haben.

Noch eine andere aus unserer Runde hat erzählt: Eine halbe Nacht lang hat sie alle möglichen Hilfsorganisationen für Flüchtlinge durchgeschaut und dann eine gefunden, der sie mit guten Gewissen einen Batzen Geld gespendet hat. Den Newsletter hat sie auch gleich abonniert.

 

Das sind alles keine riesigen Aktionen, und natürlich ist das alles nicht so einfach. Aber ich habe gemerkt: Durch unser  Gespräch, durch die Ideen der anderen  sind mir richtig die Augen und Ohren und mein Herz aufgegangen. Und ich habe angefangen, selber zu überlegen: Was kann ich denn tun? Ich denke mir, so ähnlich ist das vielleicht auch bei Jesus und seinen Jüngern gewesen. Er hatte offene Augen, Ohren, ein Herz für die, die es schwer im Leben hatten. Und das hat dann auch seinen Jüngern auf die Sprünge geholfen.

Ich  hoffe, dass noch mehr Leute bei uns miteinander reden und zusammen überlegen: Was können wir tun, damit Flüchtlinge spüren: Da sind Menschen, die machen für uns Augen, Ohren und Herzen auf!

 

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