Das Wort zum Sonntag: "Die Macht von bösen Bildern"

Das Wort zum Sonntag: "Die Macht von bösen Bildern"
Pfarrer i.R. Alfred Buß
25.10.2014 - 22:35

Bilder haben Macht

 

Ein Mann fand seine Axt nicht mehr. Hatte sie jemand gestohlen? Der Sohn des Nachbarn? Der schaute doch aus wie ein Axtdieb. Ging wie ein Axtdieb. Verhielt sich wie ein Axtdieb.

Schließlich fand der Mann seine Axt - hinter einem Korb.

Als er den Sohn des Nachbarn wieder traf, hatte der so gar nichts von einem Axtdieb.

 

Bilder im Kopf stecken Menschen in Schubladen. Bilder nageln Menschen fest: dich kenne ich doch. Du änderst dich nicht mehr.

 

Wir Menschen glauben gern, was wir zu sehen meinen: sieht aus wie ein Axtdieb. Bilder prägen sich uns ein - in Windeseile. Und befeuern unsere Gefühle. Bilder bestimmen unser Leben - in Werbung, Freizeit, Politik. Bilder haben Macht. Das ist heutige Medienwirklichkeit. Wer die Bilder beherrscht, der bestimmt auch die Köpfe und Herzen.

 

Das wissen auch andere. Selbsternannte Gotteskrieger schicken gezielt Bilder um die Welt: Das Opfer kniet im Wüstensand. Vor seinem Henker. Mehr geschieht nicht. Und doch läuft der Film bei mir im Kopfkino weiter. Unwillkürlich. Aber beabsichtigt. So brennt sich das Grausame mir ins Gedächtnis ein. Unauslöschlich. Und ruft kriegerische Ur-Instinkte wach: Freund oder Feind. Schwarz oder weiß. Gut oder Böse.

 

Zugleich sperren die Gotteskrieger Gott selber in ein Bild: rechthaberisch und grausam ist ihr Gott. Nicht zum ersten Mal: Gott mit uns stand auf den Koppeln deutscher Soldaten, als sie in den Ersten Weltkrieg zogen. Gott wird zum Deckmantel menschlicher Begehrlichkeiten - immer wieder.

 

Und nun? Gott und Religion abschaffen?

 

Oder uns erinnern: gerade die Religionen begegnen Bildern mit Skepsis. Vorneweg das Judentum. Für einen Juden ist der Gottesname unaussprechlich. Wie soll auch ein Name oder ein Bild das Geheimnis der Welt erfassen? Du sollst dir kein Bildnis machen, heißt das alte Gebot.

 

Wie aber dann überhaupt von Gott reden? - Es geht nur in vielen Bildern. Die Bibel nennt Gott Licht, Fels, Burg, Vater, Mutter, Auge, Sonne, Feuer, Quelle, Hirte... Aber keines dieser Bilder kann den unverfügbaren Gott fassen. Sie sind nur Annäherungen. Puzzleteile vielleicht. Doch auch alle zusammen bilden den lebendigen Gott niemals ab.

 

Muslime beten mit einem Rosenkranz 99 verschiedene Namen für Gott. Darunter: Der Barmherzige, der Gnädige, der Geduldige. Der hundertste Name aber bleibt den Menschen –unfassbar - verborgen.

 

Und Jesus? Erzählt Bild-Geschichten: Gott geht Gescheiterten nach wie eine Frau einem verlorenen Groschen, wie ein Hirte einem verlorenen Schaf, wie ein Vater seinem verlorenen Sohn. Und als man eine Frau steinigen wollte wegen Ehebruchs, malte Jesus im Sand und sagte: Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.

 

Gott gibt keinen Menschen preis. In diesen menschenfreundlichen Bildern wächst mir Hoffnung zu. Solche Hoffnungsbilder sind wie Triebe einer jungen Pflanze. Pflanzentriebe haben große Kraft. Sie können sogar Steine sprengen.