Das Wort zum Sonntag: "Die neue Dreistigkeit"

Das Wort zum Sonntag: "Die neue Dreistigkeit"
Pfarrer i.R. Alfred Buß
15.03.2014 - 23:35

Ein schmales Kreuz habe ich nicht gerade. Umso so verblüffter bin ich, wenn mir plötzlich jemand zu nahe tritt, ohne jede Achtung. Drei junge Kerle sahen aus, als fühlten sie sich stark. Einer spuckte mir direkt vor die Füße. Zunehmend erlebe ich sowas. Ich könnte aus der Haut fahren. Doch was tun?

 

Dreistigkeit begegnet mir ja nicht nur auf der Straße, sie findet sich längst überall im öffentlichen Leben. Uli Hoeneß hat dreist Steuern hinterzogen, fast 30 Millionen. Er verlor sich ans Zocken. Alles aufs Spiel setzen - wie verrückt.  - Hauptsache, Erfolg haben. Wodurch und auf wessen Kosten, wird dabei gleichgültig. Da hilft auch kein Aufrechnen der Guttaten.  

 

Anmaßend setzt sich die Dreistigkeit selber ins Recht, fragt nicht nach Befugnis und kennt keine Rücksichtnahme.

 

Auf der Krim übernahmen russischsprachige Militärs das Sagen. Wer sie genau sind, gaben sie nicht preis. Sie schafften dreist Fakten. Unverfroren geht nicht nur Putin vor. Obamas Drohnen töten gezielt Menschen. Dreist wird behauptet: Wer dabei auf der Strecke bleibt, muss ein Terrorist gewesen sein. Der Auslandsgeheimdienst der USA späht Freunde aus und hört sie ab – hemmungslos. Von der Krim bis zur NSA: man gibt vor, nur die eigenen Leute zu schützen und deren Sicherheit.

                                                                                              

Ja. Dreistigkeit sucht den eigenen Vorteil, bezieht daraus gar den erregenden Kick.

 

Dreistigkeit als Lebensmuster? Kein Wunder, wenn solche Muster abfärben und Rücksichtslosigkeit auch auf der Straße regiert. 

 

Was tun? Die Bibel erzählt dazu eine verrückte Geschichte:

 

Jesus rief einen vom Baum herunter. Der hatte sich verstiegen. Klein von Wuchs war er, aber dreist. Hatte das Recht gepachtet zum Steuereintreiben für die römischen Besatzer. Nahm seine Landsleute aus. Erpresste dreist mehr, als die Römer verlangten. Dreistigkeit sucht nur den eigenen Vorteil.

 

Nun sitzt der Steuereintreiber oben im Baum. Was sucht er da? Etwas, das mit Geld oder Macht nicht zu haben ist?

 

Jesus will er sehen.

 

Doch der nimmt ihn in den Blick. Ruft ihn bei Namen. Zachäus, komm runter vom Baum. Jesus lässt den Erpresser da oben nicht hängen. Aber er beschönigt auch nichts. Dessen Dreistigkeit steht ja ohnehin allen offen vor Augen.

 

Und nun?

 

Bei dir will ich einkehren, sagt Jesus. Zachäus, Dein Gast will ich sein.

 

Ja, Einkehr ist nötig. Die Einkehr einer heilenden Wirklichkeit. Mit Christus kommt Gott ins Haus. Damit Zachäus aufhören kann, nur den eigenen Vorteil zu suchen. Auch ein  Hoeneß, Putin, Obama, oder wer immer. Die Dreistigkeit hinter sich lassen, Schuld bekennen.  Die selbst eingebrockte Suppe auslöffeln und neu anfangen.

 

Neu anfangen geht. Denn bei Gott ist ein Mensch viel mehr als die Summe seiner Taten und Untaten. Er ist nicht nur dreister Erpresser, er hat einen Namen. Zachäus, komm runter vom Baum! Das Leben kann neu werden.

 

Daran will ich denken, wenn mir wieder einer dreist kommt. Ich werde ihm in die Augen schauen. Und fragen: wie heißt Du? Du bist doch nicht nur dreist, Du hast auch einen Namen.