Morgenandacht
Gute Hirten
06.08.2019 06:35
Sendung zum Nachlesen

Beim Spazierengehen auf der Schwäbischen Alb sehe ich ab und zu eine Schafherde. Manchmal beneide ich dann den Schäfer. Der hat doch wirklich einen ruhigen Job, denke ich mir. Toll. So würde ich gern mal Urlaub machen.

Aber dann fällt mir ein: Der macht nicht Urlaub. Der steht auch da, wenn es regnet und schneit und stürmt. Dann kann er sich nicht einfach ein warmes Plätzchen suchen. Wenn ein Schaf Hilfe braucht beim Lammen, dann kann er nicht sagen: Jetzt habe ich Feierabend, jetzt ist Wochenende.

Ein guter Hirte sein, das ist wohl doch eher ein Knochenjob. Wenig Romantik, wenig Abenteuer, wahrscheinlich auch wenig Geld – dafür aber Fürsorge und Verantwortung.

In der Bibel ist Hirte häufig ein Bild für Gott. „Der Herr ist mein Hirte, er weidet mich auf einer grünen Aue“ (Ps 23) dieses Gebet kennen viele. So haben Menschen Gott offenbar erfahren: Er zeigt mir den Weg, den ich gehen kann. Mit seinen Geboten vielleicht, oder wenn ich mir ein Beispiel nehme an den Geschichten, die von ihm erzählt werden.

Ein guter Hirte. Für mich steckt auch darin: Er geht denen nach, die den Weg verloren haben. Sagt nicht: Es gibt ja noch genug andere, die besser auf sich aufpassen. Im Gegenteil: Er wendet sich besonders denen zu, die nicht mehr weiter wissen. Er schickt Hilfe und Helfer. Oder jedenfalls einen, der bei mir bleibt und aushält, wenn es unversehens dunkel geworden ist. Manchmal braucht es ja nur das: Einen, der mit mir aushält, bis es wieder Morgen und hell wird. Dann kann ich sehen, wo es weiter geht. Manchmal braucht es einen, der mir ein paar gute Worte sagt: das richtet mich auf, lässt mich lächeln. Und dann kommt auch die Kraft wieder. Und der Weg wird sichtbar.

Damit man das erleben kann, braucht es Hirtinnen und Hirten mitten im Alltag. Ich glaube, das ist unsere Aufgabe als Christinnen und Christen: dass wir die hüten, die uns anvertraut sind. Und ich finde, solche Hirtinnen und Hirten gibt es öfter als man denkt. In vielen Bereichen:

Mütter und Väter zum Beispiel, die Verantwortung für ihre Kinder haben, ihnen einen guten Weg zeigen, aber doch auch gelassen zuschauen, wenn sie herumtollen und Abenteuer suchen, wie die Lämmer auf der Wiese.

Lehrerinnen und Lehrer sind Hirten, wenn sie nicht bloß Wissen vermitteln, sondern sich besonders auch um die Schwachen kümmern. Wenn sie die nicht aufgeben, die sonst so richtig keinen haben, der sich für die stark machen.

Ärztinnen und Ärzte könnten Hirten sein, die nicht nur die richtige Therapie wissen, sondern auch sehen, was ihren Patienten sonst noch fehlt. Und versuchen, mit Gelassenheit und Ruhe und Freundlichkeit dafür zu sorgen, dass es dem ganzen Menschen gleich etwas besser geht.

Handwerksmeister können Hirten sein, die Geduld haben mit ihren Azubis und ihnen zeigen, dass Arbeit gut ist, wenn man sie gut und anderen damit eine Freude macht. Oder ihnen wenigstens eine Sorge abnimmt.

Und natürlich Trainer, Chorleiterinnen, Übungsleiter bei der Jugendfeuerwehr, Hausaufgabenhelfer und Kursleiterinnen: Sie alle hüten junge Menschen vor der Langeweile. Sie helfen ihnen, ihre Begabungen zu entfalten, zeigen ihnen, wie schön es ist, miteinander etwas auf die Füße zu stellen. Sie behüten junge Menschen, indem sie ihnen helfen, Enttäuschungen zu verarbeiten und sich über Erfolge zu freuen.

Ich glaube, unser Land braucht viele Hirtinnen und Hirten. Gibt es Ausbildungsplätze dafür? Für mich selbst ist jeder Gottesdienst so ein Ausbildungsplatz. Da werde ich erinnert an Jesus, der von sich gesagt hat: Ich bin der gute Hirte. Da werde ich erinnert, was er geraten hat: Macht keinen Unterschied zwischen Armen und Reichen. Seid barmherzig mit denen, die Fehler gemacht haben. Tröstet die Traurigen. Teilt mit denen, die nicht genug zum Leben haben. Und ich werde erinnert an Gott, der ein weites Herz hat für die, die Fehler machen. Das gibt mir Mut, Verantwortung zu übernehmen. Ich brauche nicht ständig Angst zu haben, dass ich etwas falsch machen könnte. So kann ich weiter versuchen, eine möglichst gute Hirtin zu sein.

 

Es gilt das gesprochene Wort.