Morgenandacht
Göttliche Liste
12.01.2015 05:35

Was tun, wenn man gleich zu Anfang des neuen Jahres vor diesem riesen Berg steht: die guten Vorsätze für zuhause, die ersten Aufgaben im Büro und der ganz normale Kleinkram. Was ist wichtig, was kann warten, wo anfangen? Am besten, man macht sich eine Liste. Schon die Bibel beginnt mit einer To-do-Liste:

 

Tag 1: Licht machen       
Tag 2: Himmel und Erde teilen  
Tag 3: die Erde bepflanzen         
Tag 4: Sonne, Mond und Sterne an den Himmel setzen              
Tag 5: Fische und Vögel schaffen            
Tag 6: Tiere auf der Erde und Menschen machen           
Tag 7: ausruhen

 

Wer im neuen Jahr das Leben besser auf die Reihe kriegen will, macht’s am besten wie Gott und macht sich eine Liste. Schon ordnen sich die Dinge: das Wichtigste zuerst! Also erst das Licht, dann die Pflanzen, erst die Pflanzen, dann die Tiere. Wer eine Liste macht, muss Prioritäten setzen. Angenehmer Nebeneffekt: der riesen Berg wird überschaubar, Schritt für Schritt geht’s voran. Und wenn’s geschafft ist, kommt ein Haken dran. Das ist das Schönste, finde ich. In meinem Kalender auf dem Handy und dem PC kann ich immer dieses Häkchen setzen. Dann erscheint der Punkt auf der Liste durchgestrichen. Herrlich! Erst wenn ich mich lange genug daran gefreut habe, nehme ich die Punkte ganz von der Liste. Andere schreiben Zettel und streichen dann Punkt für Punkt durch, was geschafft ist. Ein gutes Gefühl. Gott muss sich am Anfang auch immer schon gefreut haben. Nach jedem seiner Punkte heißt es: „Und Gott sah, dass es gut war.“ Das motiviert!

 

Wenn man hierzulande Menschen fragt, was sie gerade so zu erledigen haben, kommen sie spontan im Schnitt auf 15 Dinge. Das ist deutlich mehr als die göttliche Liste, auch wenn’s nicht immer gleich um Himmel und Erde geht. Unser Problem: Kaum sind die ersten Dinge abgehakt, wachsen neue Punkte nach. Der Stapel auf dem Schreibtisch wächst genauso wie die Wäscheberge zuhause. Wenn das eine Projekt fast abgeschlossen ist, wartet schon das nächste. Die meisten haben das Gefühl, nie fertig zu sein. Und viele kriegen das mit dem siebten Tag nicht hin: Zurückschauen, es für gut halten, ausruhen. Einfach mal nichts tun. Früher oder später kommt jeder an die Grenzen der eigenen Kraft. Dann ist der seelische Akku leer. Dann fallen selbst die kleinen Dinge schwer: morgens aufstehen oder nochmal rumdrehen, mittags Burger oder Salat, dem Chef widersprechen oder einfach weitermachen, abends fernsehen oder lesen?

 

Was tun? Die Zähne zusammenbeißen, sich aufraffen, es nochmal anpacken? Nein, genau das wäre falsch. Es ist nicht eine Frage des Willens. Es ist eine Frage der Kraft. Und die ist begrenzt. Menschen, die gerne arbeiten und ausgeglichen leben, wissen um diese Grenzen. Sie machen Pausen: Mittags einen Spaziergang,  abends öfter mal raus, sonntags frei. Das wusste schon der liebe Gott. Siehe Tag Sieben auf der Liste: ausruhen. Die Kraft, die sie haben, setzen  diese Menschen möglichst gut ein. Wichtiges sofort, anderes später, Sinnloses möglichst nie. Also: Wenn die Schmerzen kommen, zum Arzt? Ja. Wenn das Auto wieder dran ist, zur Inspektion? Ja. Wenn die Ideen sprudeln, mit dem neuen Projekt anfangen? Ja. All you can eat? Lieber nicht. Im Team zum dritten Mal alles durchgehen? Nein. Nach dem Spätfilm noch mal an die emails? Bloß nicht!  Menschen, die ausgeglichen leben, können zurückschauen und würdigen, was sie geschafft haben. Manchmal mache ich das am Abend oder auf dem Rückweg vom Büro. Dann sage ich mir: Mehr war heute nicht möglich. Das war das, was ich tun konnte und das ist gut so.

Das Leben auf die Reihe kriegen, bevor es mir zu schaffen macht. Das geht, wenn ich meine Grenzen kenne. Von der göttlichen Liste lerne ich gleich zweierlei. Erstens: Regelmäßig Pause machen und ausruhen. Und zweitens: Auf das Geschaffte zurückschauen und sagen: Hey, das war gut!

 

 

angeregt durch:              
Roy Baumeister, John Tierney: Willenskraft. Nehmen Sie sich nicht zu viel auf einmal vor, in: Psychologie heute 39, Heft 2 (2012), 20-24.