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Die Sendung zum Nachlesen:
Monika ist ein sportlicher Typ. Kurze Locken, klare blaue Augen und ein Lachen, das mir sagt: Ich bin da, das Leben kann kommen! Man sieht es ihr wirklich nicht an. Dass ihr ein Viertel der Lunge fehlt. Dass die Finger immer noch taub sind und kribbeln von der Chemo. Ich treffe Monika in der Reha beim Mittagessen. Wer hier nicht mit Krücken rumläuft, also irgendwas mit Hüfte oder Knie hat, der hat eine Krebstherapie hinter sich. Oder steckt mittendrin und braucht Erholung. Monika ist 43, ihr Sohn ist 15 und will nächstes Jahr aufs Gymnasium wechseln. Sie hat gesund gelebt. Ernährung, Sport, Yoga. Pilates, Malkurs, Lungenkrebs. Lungenkrebs? Das passt nicht in dieses Leben. Monika hat nie geraucht. Sie trifft sich mit ihren Freundinnen zum Walken. Sie geht ab und zu ins Theater. Sie arbeitet gern in ihrem Beruf. So jung und mit dieser Diagnose kommt sie in keiner Statistik vor.
Und sie hat diese unbändige Zuversicht, dieses Strahlen. Sorgen? „Ich kümmere mich um das Problem erst, wenn es da ist.“ Nie mehr arbeiten? „Ich mache so gerne schöne Sachen.“ Schlechte Prognosen? „Dass ich bald sterbe, kommt nicht in Frage.“ Schlank und sportlich sitzt sie vor mir in einem T-Shirt und dieser eng anliegenden Trainingshose. Mit einer Lunge, der ein Viertel fehlt. Mit Fingern, die teilweise taub sind. Und mit einer Energie, die einfach nur ansteckt. Wir kennen uns nicht. Aber sie erzählt mir alles, als seien wir seit Jahren befreundet. Macht das wohl so eine Krankheit? Dass man plötzlich die Momente nutzt? Weil da jemand gegenübersitzt, der wahrscheinlich ein ähnliches Schicksal teilt?
Ich muss an einen Freund denken, mit dem ich jahrelang Sport gemacht habe. Wir haben uns jede Woche beim Badminton gesehen, damals an der Uni. Wir waren die perfekten Gegner: Er schnell und wendig, ich groß und mit einer guten Technik. Drei Jahre lang haben wir uns jede Woche getroffen. Aber ich habe keine Ahnung, worüber Jens nachgedacht hat, was für ihn Glück bedeutet oder wovor er Angst gehabt hat. Und Monika treffe ich zufällig für eine Stunde in der Cafeteria und weiß sehr schnell sehr viel über sie. Wir verstehen uns in diesem Moment. Weil das Leben jetzt ist. Und weil es hier an diesem Tisch guttut, zu reden. Nicht nur Monika, mir auch.
Monika erzählt mir noch von ihrer besten Freundin. Sie schreiben sich, sie telefonieren, fast jede Woche sehen sie sich. Bei ihr kann sie lachen, weinen, reden – alles. Manchmal mehr als zuhause. „Das bedeutet mir viel“, sagt sie. Das verstehe ich sofort. Und auch ich denke über meine Freundschaften nach. Meine beste Freundin aus Kindertagen, sie ist weit weg, aber wir schreiben uns regelmäßig per Messenger. Mein bester Freund aus Studienzeiten, die engsten Freunde hier vor Ort, wo ich heute lebe. Allein könnte ich so eine Krankheit nicht durchstehen.
„So ist’s ja besser zu zweien als allein,“ heißt es beim Prediger Salomo im Alten Testament. „Fällt einer von ihnen, so hilft ihm sein Gesell auf. Weh dem, der allein ist, wenn er fällt! Auch, wenn zwei beieinanderliegen, wärmen sie sich; wie kann ein Einzelner warm werden?“
Das sind schöne Bilder. Wer eine schwere Zeit durchmacht, braucht genau das: Die Hilfe, die Wärme. Das Fazit dieses biblischen Weisheitslehrers über die Freundschaft: „Einer mag überwältigt werden, aber zwei können widerstehen, und eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei.“ (aus Pred 4,9-12).
An diesem Tag sitzt Monika vor mir, halb Vorbild, halb Freundin auf Zeit. Als gehörten wir zu einer verschworenen Gruppe. Die wir das Leben lieben, die Ängste davon schicken und jeden Moment des Lebens schmecken. Wir mögen keine Statistik und keine Prognosen. Wir mögen die Sonne und den Cappuccino. Und wir wissen, was Freundschaft bedeutet – in den Krisen des Lebens und in einer Stunde im Café.
Es gilt das gesprochene Wort.