Bernd ist ein interessierter Typ. Er will es genau wissen. Nur als Beispiel: Als im letzten Jahr alle vom ersten Weltkrieg geredet haben, der 100 Jahre zuvor ausgebrochen war, da hat er sich ein dickes Buch gekauft und gründlich nachgelesen, weil er wissen wollte, wie es wirklich gewesen ist. Das ist typisch für ihn.
Dass ihm erst in diesem Jahr aufgefallen ist: "Ich weiß gar nicht, was Ostern wirklich ist!", ist überhaupt nicht typisch für ihn. Aber jetzt ist er neugierig geworden. Was ist Ostern? Was ist da wirklich passiert?
Ihn interessiert nicht all das Drumherum: die Osterbräuche, die Ostereier, der Osterspaziergang... Ihn interessiert der Kern: Wie ist das abgelaufen mit der Auferstehung Jesu? Wie ist das vor sich gegangen? Was ist da lebendig geworden? Und wie? Wenn man das hätte filmen können: was wäre auf dem Film zu sehen gewesen?
Bernd sucht schon im Internet nach einem guten Buch über Ostern, wo das alles drin steht, was er wissen will. Da fällt ihm ein: "Ich hab doch schon eins!" Ganz unten links in seinem Bücherregal, da steht es. Er holt seine Bibel heraus. Im Neuen Testament muss er nachsehen, wo die Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes von Jesus erzählen, von seinem Leben, seinem Tod und schließlich von seiner Auferstehung.
Richtig. Bei Matthäus im letzten Kapitel findet er eine Geschichte mit der Überschrift: "Die Wächter am Grabe." Ja, das ist es doch, genau das, was er sucht. Augenzeugen. Die Wächter sind ja wohl dabei gewesen.
Bernd ist voller Hoffnung. Eigentlich weiß er ja, dass es sich bei diesen Texten um historisch sehr unzuverlässige Legenden handelt. Aber das verdrängt er und liest den Text, wie ein historisch zuverlässiges Geschichtsprotokoll.
Da kommen also nach Jesu Begräbnis besorgte Gegner Jesu zu den Römern und sagen: "Passt auf, denen ist alles zuzutrauen! Die bringen es fertig und stehlen den Leichnam Jesu. Und dann lügen sie: Jesus ist auferstanden, ihr seht doch: sein Grab ist leer!"
Also werden römische Bewaffnete als Grabwächter abgestellt. Plötzlich aber fallen diese Männer in eine Schockstarre. Es ist, als wären sie tot, als schliefen sie tief und fest. Als sie wach werden, ist das Grab leer. Der Leichnam Jesu ist weg. Sie haben die Auferstehung Jesu verpasst!
Später gibt man ihnen Geld. Sie sollen sagen: "Die Jünger Jesu sind gekommen und haben den Leichnam Jesu gestohlen. Von wegen Auferstehung!"
Bernd ist enttäuscht von der Geschichte. Die Wächter, Augenzeugen der Auferstehung, fallen in einen Narkose-ähnlichen Schlaf! Nichts wissen sie!
Ob Bernd schon die ganze Wahrheit ahnt? Dass es keinen einzigen Menschen gibt, der sagen kann: "Ich habe gesehen, wie Jesu auferstanden ist."? Keinen gibt es!
Bernd weiß, dass das alles erst ein paar Jahrzehnte nach Ostern aufgeschrieben wurde. Er weiß auch: Das sind Legenden. Und Legenden wachsen.
In Hunderten von Gottesdiensten hätten Prediger und Apostel beim Erzählen dieser Geschichten immer etwas weiter ausschmücken können. Hätte es dann nicht schließlich eine Legende geben müssen, die wenigstens so tut, als wüsste sie, was wirklich passiert ist?
Nein, nichts davon. Als ob das Wie der Auferstehung die frühen Christen nicht interessiert hätte. Als ob es für sie fest stand: die Auferstehung Jesu ist etwas so Singuläres und Außerordentliches, dass man es nicht einfach beobachten kann wie eine Theatervorstellung oder Zirkusnummer.
Für Bernd ist Ostern ein Rätsel. Aber dass es für alle und für immer ein Rätsel ist, das weiß er noch nicht.
Dass den Christen ziemlich egal war, wie das damals geschah, wird er zur Kenntnis nehmen müssen. Er wird feststellen und akzeptieren müssen: Sie sind nicht an dem interessiert, was war, sondern was ist. Es kümmert sie nicht, wie Jesus auferstanden ist. Aber bekennen, dass Jesus auferstanden ist. Und jetzt lebt. Das ist ihre Oster-Botschaft.