Morgenandacht
Der Auferstandene im Himmel?
08.04.2015 06:35

Bernd ist kein religiöser Mensch, Gott bewahre! Aber manchmal geht er einer unverstandenen Sache auf den Grund, selbst wenn es dabei um Religion geht. Erst kürzlich ist er sich dessen bewusst geworden: Ostern versteh ich nicht. Der tote Jesus ist lebendig geworden. Aber wo ist er dann jetzt?

 

Damals, – Bernd war noch im Kindergarten, als seine Oma starb – damals hat er gebetet: "Lieber Gott, mach die Oma wieder lebendig!" Dann würde sie wieder oben in die Wohnung einziehen und ihm Bilderbücher vorlesen.

 

Aber Tote werden nicht wieder lebendig. Außer Jesus. Außer Jesus? Und wo ist er dann jetzt?

 

Wenn Bernd in ein paar Wochen mit Freunden und Bierkisten auf einem Bollerwagen ins Grüne zieht, dann feiert er den Vatertag. Offiziell heißt der Tag "Himmelfahrt Christi". Himmelfahrt! Bernd ist sich sicher, dass kein halbwegs gescheiter Christ glaubt, dass Jesus durch die Wolkendecke in den Himmel und dann immer weiter nach oben in irgendein Jenseits im Weltall geschwebt ist. Aber irgendeine Bedeutung muss die Geschichte doch haben.

 

Gut, jemand hat ihm mal das Bild von der Himmelfahrt so erklärt:

 

Wie die Sonne überall hin strahlen kann, weil sie oben am Himmel steht, so muss Gott oben im Himmel sein, damit er überall sein kann. Und wenn sie sagten, dass Jesus in den Himmel fährt, dann wollten sie nicht sagen: "Jetzt ist er weg!", sondern: "Jetzt ist er überall, so wie die Sonne am Himmel überall hin scheint."

 

Bernd fand die Erklärung hilfreich. Aber haben die Christen damals wirklich geglaubt, der Auferstandene sei nicht weg, sondern sei bei ihnen?

 

Typisch für Bernd, der es ja genau wissen will, dass er noch einmal im Original nachliest, in der Bibel. Bei Matthäus, ganz am Schluss.

 

 

Da liest Bernd: Der Auferstandene steht mit den Jüngern auf einem hohen Berg. Er zeigt den Jüngern die ganze weite Welt, die vor ihnen liegt. "Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden." sagt Jesus. Der Anspruch erstaunt Bernd. So wie er die Welt sieht, hat es nicht den Anschein, als wäre das schon geschehen.

 

Also, wie will der Auferstandene das machen?!

 

Er macht es, indem er seine sogenannten Jünger beauftragt, in die Welt hineinzugehen. "Geht hin in alle Welt und macht zu Jüngern alle Völker, tauft sie und lehrt sie alles halten, was ich euch gesagt habe."

 

Was traut Jesus diesen einfachen Männern zu! Eine völlig spinnerte Eroberungsstrategie. Er gibt keine Tricks, keine Machtmittel, keinen Zauber, kein Geld mit. Nur mit dem Wort, nur mit den Argumenten sollen sie es ausrichten. Nur durch Weitererzählen dessen, was sie gehört haben, was sie erlebt haben. Und mit Taten, die sie bei Jesus gelernt haben.

 

Die Bergpredigt wird schon die Leute beeindrucken und einige überzeugen. Eindrückliche Gleichnisse Jesu werden ihre Hörer und auch Glauben finden. Die Liebe Gottes ist eine starke Botschaft. Also geht in die Welt hinaus!

 

Und Jesus, wo will der hin? Wird er sich eine zentrale Kirchen-Verwaltung einrichten? In Jerusalem etwa? Einen Jesus-Vatikan gründen, von wo aus festgelegt wird, was die Jünger machen und glauben sollen?

 

Nein. Der letzte Satz des Auferstandenen und der letzte dieses Evangeliums lautet: "Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende".

 

Als hätte Jesus gesagt: "Ihr, meine lieben Freunde, ihr sollt jetzt in alle vier Himmelsrichtungen auseinandergehen. Ich aber, ich bin bei dir, und bei dir und bei dir und bei euch allen in allen Himmelsrichtungen."

 

Das geht doch gar nicht, denkt Bernd. Es sei denn, der Auferstandene nimmt eine andere Existenzform an. Wird Geist, Energie, Kraft... oder was auch immer.

 

Bernd ist etwas verwirrt. Einfach mal angenommen, denkt Bernd, wenn Jesus jetzt bei mir wäre – klar, ich sehe ihn nicht – wenn er bei mir wäre als Geist, als Kraft, als Energie oder als Stimme im Gewissen oder was auch immer... würde ich dann anfangen anders zu leben als jetzt, christlicher? Und wäre das dann nicht gut so?

Sendungen von Pfarrer Burkhard Müller

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