Guten Abend, ich möchte Ihnen von einem Ort erzählen, an dem ich glücklich bin. Glücklich, obwohl ich dort auf vieles verzichte, was mir normalerweise wichtig ist. Der Ort heißt Taizé. Ein kleines Dorf im Burgund, in Südfrankreich. Das Mittagessen gibt es in Plastikschalen, dazu ein Becher Wasser. Man schläft in Zelten oder einfachen Blockhütten. Ich bin dort nicht immer wirklich satt und die Nächte sind nicht so erholsam wie ich es mir wünschen würde. Aber das macht nichts. Und: es geht nicht nur mir so. Rund 200.000 Menschen nehmen jedes Jahr solche Unbequemlichkeiten auf sich . In diesen Tagen feiert Taizé sein 75jähriges Bestehen. Nach wie vor strömen Menschen aus aller Welt dorthin. Jetzt in den Sommermonaten kommen bis zu 6.000 pro Woche, vor allem Jugendliche. Was ist das Geheimnis dieses Ortes? Das wollte ich selbst herausfinden.
Vor ein paar Jahren bin ich auf der Fahrt Richtung Süden spontan von der Autobahn abgefahren, als ich den Hinweis auf Taizé gesehen habe. Ich wollte herausfinden, was es mit diesem Ort auf sich hat. Diesem Ort, der Generationen von Jugendlichen geprägt hat. Ich sah eine einfache Dorfstraße, Zelte, Baracken, eine Kirche, die man von außen kaum als eine solche erkennen kann.
Sitzen, Beten, Reden, Singen, sehr viele verschiedene Sprachen hören, Schweigen. Alles dort ist einfach: Das Essen, die Unterkunft, das Leben.
Ein Ort der Versöhnung solle Taizé sein, hat der Gründer Frère Roger gesagt. 1940 kaufte er in dem kleinen, abgelegenen Dorf ein altes Bauernhaus, um Kriegsflüchtlingen Unterschlupf zu gewähren. Nach und nach kamen andere Mitbrüder hinzu. Es entstand eine kleine Gemeinschaft.
Aus dieser kleinen Gemeinschaft ist eine weltweite Bewegung geworden. Die Jugendlichen kommen aus allen Himmelsrichtungen hierher - und das seit vielen Jahrzehnten. Was ist das Geheimnis? Hier in Taizé erleben die Besucher eine ganz einfache christliche Gemeinschaft, die nicht an den Grenzen der Konfessionen halt macht.
Viele sagen mir als evangelischer Pastorin, dass sie sich kaum noch in eine Kirche trauen, weil ihnen das alles zu fremd geworden ist. Sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. In Taizé habe ich viel darüber gelernt, wie man zusammen beten kann, ohne dass sich jemand ausgeschlossen fühlt. Für mich ist dieses kleine Dörfchen im Burgund deshalb ein großer Hoffnungsort. Gegen die Kompliziertheit dieser Welt, gegen das Anspruchsdenken, gegen die Machtgier mancher Kirchenleute. Dort ist für mich, wie für Millionen andere, spürbar geworden: Glaube und Leben sind im Grunde etwas ganz Einfaches.
Gemeinsam Beten, Singen, Essen. Kann das die Welt verändern? Ich glaube, alle großen Veränderungen müssen im Kleinen beginnen. Dort in Taizé ist ein Ort, wo ich erfahren kann, wie wenig es braucht, um Gott nahe zu sein. Wasser und Brot. Gemeinschaft. Liebe. Ein zu Hause. Und: Die Hoffnung, dass das Leben mehr für mich bereithält als ich eigentlich für möglich halte.
Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht!
Norddeutscher Rundfunk
Redaktion: Eberhard Kügler (NDR)