„Ich denke an meine behüteten Enkeltöchter, und es zerreißt mir das Herz.“ So beschreibt Dorothee Vakalis, wie es ihr geht, wenn sie die Kinder in Idomeni sieht. Nach wie vor campieren in dem Flüchtlingslager an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien bis zu 13.000 Menschen. Sie hoffen, irgendwie doch noch nach Mitteleuropa zu kommen – allen Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei zum Trotz.
Dorothee Vakalis ist evangelische Pfarrerin im Ruhestand und lebt schon ihr halbes Leben in Griechenland. In Idomeni organisiert sie mit anderen Freiwilligen eine offene Küche. Hier werden täglich gut 10.000 Portionen warmes Essen zubereitet. Die Flüchtlinge arbeiten mit, schnibbeln das Gemüse, helfen bei der Verteilung.
Die Pfarrerin sagt: „Ich bewundere die unzähligen Leute da draußen auf den nackten Feldern. Lebenstüchtig, einfallsreich und außerordentlich widerstandsfähig kommen sie mir vor.“ Und Babis, der Koch in der offenen Küche, ruft einem der deutschen Reporter zu: „Erzähl den Deutschen, was für tolle Menschen du in Idomeni getroffen hast. Habt keine Angst vor Flüchtlingen!“ Die Flüchtlinge sind Reporter gewöhnt. Die Kinder haben es zu einem Spiel gemacht: Sie filmen sich gegenseitig mit imaginären Kameras.
Besucher kommen auch nach Idomeni. Norbert Blüm hat dort eine Nacht im Zelt verbracht. Diesen Mittwoch war Volker Jung da, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, zusammen mit den obersten Pfarrern der rheinischen Kirche und des reformierten Bundes. „Solidaritätsbesuch“ nennen die drei kirchenleitenden Protestanten aus Deutschland ihre Reise.
Volker Jung berichtet aus Idomeni: „Die Situation hier in Idomeni ist natürlich erst einmal ziemlich bedrückend, wenn man wahrnimmt, wie viele Menschen hier sind und in eine für sie erst einmal sehr ausweglose Situation geraten sind. Natürlich ist immer noch die Hoffnung da, dass die Grenze wieder aufgeht. Es gibt Gerüchte im Lager, dass könne innerhalb kürzester Zeit sein. Das ist natürlich völlig illusorisch. Deshalb wird es darum gehen, dass Europa noch einmal gemeinsam hier hinschaut und auch gemeinsam Lösungen findet für ein vernünftiges, ordentliches Aufnahme- und Registrierungsverfahren. Und natürlich auch vor allen Dingen für diejenigen Wege zu schaffen, die einen Asylantrag stellen können, die einfach schutzbedürftig sind. Im Moment ist es so, dass ihnen dieses Menschenrecht vorenthalten wird. Sie sind nicht in der Lage, ihren Asylantrag zu stellen. Das ist eine große humanitäre Aufgabe, vor der im Moment Europa steht.“ (O-Ton Kirchenpräsident Volker Jung aus Idumeni vom 7.4.2016)
Was bringen solche Besuche? Europa entledigt sich der Hilfesuchenden und delegiert das Problem an seine Grenzen und Anrainer.
Gerade deshalb müssen Engagierte aus Nicht-Regierungs-Organisationen wie von den Kirchen oder von Amnesty International dorthin fahren, wo Flüchtlinge sind, und darüber berichten. Hingehen! Hinschauen! Es braucht das Signal an die Regierungen in Europa: Wir schauen hin, wie es den Leuten geht. Wir behalten im Auge, dass Würde und Menschenrechte jedes Einzelnen gewahrt bleiben.
Das gilt erst recht, wenn seit dieser Woche das Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei in die Tat umgesetzt wird. Der Deal geht so: Die Türkei nimmt Griechenland die wieder ab, die keinen Asylantrag gestellt haben. Dafür nimmt die EU syrische Flüchtlinge aus der Türkei auf. Flüchtling gegen Flüchtling. Das Ziel des Abkommens: Den Schleppern und Schleusern das Handwerk legen, die Menschen illegal übers Mittelmeer nach Europa bringen.
Einen legalen Fluchtweg gibt es mit dem Abkommen jetzt. Aber nur im Austausch von Mensch gegen Mensch. Ist das menschlich? Hinschauen ist wichtig. Es geht um jeden Einzelnen.
Das hat Jesus den Christen ins Stammbuch geschrieben. Er nennt sich in der Bibel einen guten Hirten, der hingeht und sucht, wenn ihm auch nur ein einziges Schaf verloren gegangen ist. Jeder einzelne ist unendlich wertvoll.
Was können wir in Deutschland tun? In Idomeni sagt ein Helfer aus der griechisch-evangelischen Gemeinde: „Gebet. Und bei Projekten helfen, die Flüchtlingen eine Perspektive geben.“
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