Wort zum Tage
Gemeinfrei via unsplash/ Matheus Cenali
Apfelpfarrer
mit Pfarrer Hannes Langbein
01.06.2022 06:20
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Eigentlich sollte man ja Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Es sei denn man malt sie: Hundertfach. Immer ein Paar, zwei Exemplare nebeneinander. Zwei Äpfel oder zwei Birnen, von der einen und von der anderen Seite. Rot, gelb, orange, grün. Die verschiedensten Sorten, die man sich vorstellen kann…

Korbinian Aigner, katholischer Pfarrer, auch bekannt als "Apfelpfarrer", im bayrischen Sittenbach, hatte neben seiner Berufung zum Priester eine Passion für Äpfel und Birnen. Seit 1930 war er sogar Präsident des "Obst- und Gartenbauvereins Oberbayern". Er züchtete die Früchte in seinem Pfarrgarten, hielt Vorträge – und malte sie auch: Mit dem Buntstift, etwa in Postkartengröße. So kundig und akribisch, dass sich in seinem Bildarchiv später noch professionelle Pomologen, Apfelkundler, für die Darstellung bestimmter Sorten bedienten. Vor zehn Jahren, 2012, wurden sie gar zu Hunderten auf der Weltkunstausstellung documenta 13 in Kassel ausgestellt – als ein Beispiel künstlerischer Forschung gleich neben dem Quantenlabor des österreichischen Physikers Anton Zeilinger…

Warum sich ein Pfarrer derart eindringlich mit Äpfeln beschäftigt? – Wir wissen es nicht, auch wenn die Geschichte vom sogenannten Sündenfall zu Interpretationen anregen könnte. Vermutlich wäre Korbinian Aigner auch nicht so bekannt geworden, wenn er seine Leidenschaft nicht auch unter widrigsten Umständen weiter verfolgt hätte: 1940 wurde Aigner – nach mehreren Konflikten mit den Autoritäten des Nazi-Regimes – wegen Hitler-kritischer Äußerungen inhaftiert und 1941 ins  Konzentrationslager Dachau überstellt. Sogar dort gelang es ihm, seine Züchtungen noch zwischen den Baracken fortzusetzen. "KZ 1, 2, 3, 4" sind die Sortenbezeichnungen dieser Züchtungen, von denen es "KZ 3" noch heute als "Korbiniansapfel" im Handel zu kaufen gibt…

"Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen." Dieser große Satz ist dem Reformator Martin Luther in den Mund gelegt worden. Der katholische "Apfelpfarrer" Korbinian Aigner hat genau das getan – und damit ein unwahrscheinliches Zeichen gesetzt: für die Widerstandskraft der Seele und die Widerstandskraft der Schöpfung gegen die Mächte des Bösen. Seine Äpfel gibt es noch heute.

Es gilt das gesprochene Wort.