Allein, aber nicht einsam
mit Pfarrer Benedikt Welter aus Trier
22.06.2024 23:40

Einen guten späten Abend, verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer.

Rom. Der Petersplatz menschenleer. Es regnet. Ein weißer Sessel steht da unter einem schlichten Baldachin, der vor dem Regen schützt; auf dem Sessel sitzt der Papst im weißen Gewand. Ganz allein. Von den vielen Bildern aus der Coronakrise, die in mir nachwirken, ist dies ein ganz besonderes. Beeindruckt bin ich von der Leere dieses Platzes, auf dem doch sonst zigtausende Füße von zigtausenden Menschen unterwegs sind; und mich berührt besonders, dass der Papst da ganz allein sitzt. Ohne jegliches Gefolge wie sonst. Er wird zum Bild dafür, er macht sichtbar, was für viele Menschen bittere Corona-Realität war: Sie waren allein.

 Zwei Kunstwerke stehen mit Abstand hinter dem weißen Sessel: Ein großes Kreuz – das ist ein sogenanntes Pestkreuz aus dem 16. Jahrhundert, als die PestSeuche in Rom gewütet hat. Und das Marienbild aus Santa Maria Maggiore, dem Evangelisten Lukas zugeschrieben mit dem Namen, "Maria Heilung des römischen Volkes".

Die zwei Kunstwerke hinter dem einsamen Papst sind stumm – und vermitteln doch Hoffnung und Trost. Sie erinnern daran, dass auch Generationen vor uns große Schrecken erlebt und überstanden haben.

Doch es bleibt mehr als das Bild. Der Papst spricht. Er spricht in den leeren Raum auf dem riesigen Platz hinein. Er erzählt die Geschichte vom Sturm auf dem See, in den das Boot der Jünger Jesu geraten ist. Panik bricht bei den Jüngern aus. Angst. Jesus ist auch an Bord, aber: er schläft. Völlig unbeeindruckt vom Sturm und von der Panik seiner Leute. Die Jünger schreien ihn an: "Warum schläfst du? Hilf uns!" Der Papst deutet diese Geschichte als Hilfe für die schrecklichen Erfahrungen so vieler Menschen in der Pandemie: Ja, da ist viel Angst; ja, da ist sogar Panik; ja, die Menschen sind verunsichert und verzweifelt. Aber, da ist einer mit im Boot. Einer, dessen Gegenwart etwas bewirken kann. Am Ende der biblischen Geschichte steht Jesus auf, gibt dem Wasser und dem Sturm einen Befehl. Dann heißt es: "Darauf tritt eine große Stille ein."

Ich glaube, genau das ist es: Einsamkeit betrifft viele Menschen und gerade auch erschreckend viele Junge; die Einsamkeit ist bei vielen wie dieser Sturm: das Innere ist aufgepeitscht, Angst macht sich breit, Panik. Da braucht es eine große Stille, um zu entdecken: ich fühle mich einsam, bin aber nicht allein. Da ist einer in meinem Lebensboot. Ja, dummerweise scheint er zu schlafen; dummerweise vermittelt er mir, dass ihn das alles nichts angeht. Da macht mich ratlos macht – aber er ist da.

Benedikt XVI., der Vorgänger von Papst Franziskus hat gesagt: "Wer glaubt, ist nicht allein". Das stimmt für mich. Noch etwas genauer würde ich sagen: Ob ich mich inmitten vieler Menschen einsam fühle; oder ob ich auf einem menschenleeren Platz ganz allein sitze: Ich bin nicht einsam und allein.

In der Geschichte wendet sich Jesus seinen Jüngern zu, nachdem er Wasser und Sturm gestillt hat: "Ihr Kleingläubigen," sagt er; "habt ihr noch immer kein Vertrauen?" Ich fühle mich auch angesprochen. Eingeladen zu einem großen Vertrauen und Glauben für mein Leben. Auch wenn es mir klein erscheint, unbedeutend, als wäre ich allein.

Da ist einer, der im Boot bleibt. Der kann mir den Mut geben, auch einer großen Stille in mir mehr zu vertrauen, als dem lauten Gebrüll von Stürmen aller Art.

Einen gesegneten Sonntag wünsche ich Ihnen.

Sendeort und Mitwirkende

Saarländischer Rundfunk (SR)
Redaktion: Barbara Lessel-Waschbüsch

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