Morgenandacht
Ein hörendes Herz
19.07.2021 06:35

Ich sitze beim Frühstück und höre Radio. Es laufen die Nachrichten. Hochwasserkatastrophe, Vermisste, Verletzte und Tote. Mir will mein Brötchen nicht mehr schmecken. Ich habe dieses Video im Kopf, kann die Bilder nicht vergessen: Ein vom Hochwasser überschwemmter Gemeindesaal. Kisten und Stühle schwimmen in brauner Wasserbrühe. Ein Flügel ragt aus dem 1,20 m hohen Wasser empor. Mir wird es schwer ums Herz.

Dieses dumpfe Gefühl, diese Leere im Kopf
Sowas kann uns nie passieren und was wäre wenn doch?

Die Hamburger Band Fettes Brot reißt mich mit ihrem Lied „An Tagen wie diesen“ aus meinen Gedanken. Doch. Es kann uns passieren. Plötzlich sind wir betroffen. Es geht an unsere Existenz. An Tagen wie diesen will ich hoffen, dass Menschen sich von Leid und Ungerechtigkeit bewegen lassen.

Genauso sind auch die anderen Nachrichten. Eine neue Delta-Variante, Corona-Zahlen und weltweit wieder unzählige Corona-Tote. Boote voller Geflüchteter. Klimawandel: Die Eisbären sterben, die Arktis schmilzt.

Corona-Pandemie, Migration und Klimawandel – die Themen sind mir zu groß. Und sie betreffen mich doch.

Ich wünsche mir ein hörendes Herz, wie König Salomo in der Bibel. Er betet:
„Herr, mein Gott, du hast deinen Knecht anstelle meines Vaters David zum König gemacht. Doch ich bin noch sehr jung und weiß nicht, wie ich mich als König verhalten soll. […] Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht“ (1.Könige 3,7-9).

Nicht Ansehen oder Ehre, nicht Reichtum oder Macht, kein langes Leben, sondern ein hörendes Herz wünscht sich Salomo. Und Gott gewährt ihm die Bitte. Er gab ihm ein „weises und verständiges Herz“ (1. Könige 3,12).  

Das Herz im biblischen Sinne ist nicht nur der Ort der Gefühle und des Gewissens, sondern auch der Sitz des Verstandes und des Willens. Salomo bittet also darum, richtig verstehen zu können, vernünftige Entscheidungen zu treffen und zu erkennen, was gut und was böse ist. 

Ich wünsche mir ein hörendes Herz, damit ich erkenne, was in meiner Verantwortung liegt, wo es an mir ist zu handeln. Ich möchte unterscheiden, was ich hinnehmen muss und was ich ändern kann.

Salomo kennt seine Grenzen. Er weiß noch nicht, wie er sich in den großen Fußstapfen seines Vaters verhalten soll. Aber Salomo wendet sich an Gott. Und Gott antwortet auf solche Fragen:

„Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir! Hab keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich mache dich stark und helfe dir. Ich mache dich stark mit meiner rechten Hand, die für Gerechtigkeit sorgt“ (Jesaja 41,10).

Die Rettung dieser Welt liegt nicht in Salomos Hand. Nicht bei den Politikerinnen und Politikern. Und auch nicht in meiner Hand. Aber alle zusammen können wir hinhören, wo die Welt Hilfe braucht. Denn Gott braucht unsere Hände und Füße – auch meine, um zu anderen Menschen zu gehen und zu handeln und für sie da zu sein.

Dafür muss ich nicht in ferne Länder reisen. Jetzt bekommen viele von uns eine Katastrophe am eignen Leib zu spüren. Viele Menschen haben durch die Hochwasserkatastrophe ihre Wohnungen und Häuser oder einen geliebten Menschen verloren. Diese Nachrichten machen mich fassungslos.

Tage wie diese lassen mich aufhorchen. Heute will ich mit dem Herz hören und sehen. Ich möchte den Betroffenen zuhören, hinsehen und mitfühlen. Im Anblick dieser Wassermassen bete ich zu Gott, der sagt „Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir! Hab keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich mache dich stark und helfe dir. Ich mache dich stark mit meiner rechten Hand, die für Gerechtigkeit sorgt“.

Ich wünsche mir, dass Gottes Hand in diesen Tagen spürbar wird, dass er unsere Herzen bewegt und wir als seine helfenden Hände und Füße die Welt verändern.

 

Es gilt das gesprochene Wort.