Gerechtigkeit ist ein uraltes Gebot – tief verwurzelt in der Bibel. Unverzichtbar für ein gutes Zusammenleben. Der Rechtsstaat ist kein Selbstläufer, sondern verdient Respekt und Schutz.
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Menschen sollen für Gerechtigkeit sorgen. Das ist ein uraltes Gebot Gottes. Und das zieht sich durch die ganze Bibel. Immer wieder wird dort angeklagt, wenn dieses Gebot verletzt wird. Die Propheten zum Beispiel: Sie halten mit ihrer Kritik nicht hinterm Berg. Sie prangern politische Zustände an, in denen das Recht mit Füßen getreten wird. Sie beschuldigen Richter, die sich bestechen lassen oder das Recht beugen der Schwächsten – der Armen, der Witwen und Waisen. Wenn man so will, ist das ein früher Ruf nach unabhängiger Justiz.
Die Bibel mahnt zur Wahrheit und Gerechtigkeit. Aber sie bleibt nicht bei der Kritik stehen. Sie lobt auch die, die das Recht hochhalten. Sie erzählt von Richtern, die Gerechtigkeit möglich machen – und damit ein gutes Zusammenleben fördern.
Aus der frühen biblischen Zeit wird von Debora erzählt. Eine starke Frau. Richterin, kluge Ratgeberin und mutige Führungsfigur. Sie zeigt, wie viel Kraft im Handeln nach dem Recht liegt. Damals wie heute.
Der Weg von Deborah in vorstaatlicher Zeit vor drei- bis dreieinhalbtausend Jahren bis zum modernen Rechtsstaat war lang, steinig und auch blutig. Wir können uns glücklich und dankbar schätzen, heute in einem Rechtsstaat leben zu können. Und das verdient höchsten Respekt, ob mit oder ohne religiösen Glauben. Für mich als Christin hat dieser Respekt tiefe Wurzeln. Er steckt in der Botschaft der Bibel. Im fünften Buch Mose heißt es ganz klar: "Du sollst Richter und Verwalter einsetzen – ihre Urteile sollen gerecht sein. Du darfst das Recht nicht beugen."
Die Frankfurter Rabbinerin Elisa Klapheck spricht von den sieben Geboten im Talmud, dem jüdischen Lehrbuch, entstanden zwischen drittem und sechsten Jahrhundert nach Christus. Diese sieben Gebote gelten für alle Menschen, unabhängig, ob sie zu Gott eine Beziehung haben oder nicht. Das siebte der Gebote aus dem Talmud sagt: Die Menschen sollen sich ein Rechtswesen geben, das die Regeln bestimmt, nach denen sie miteinander leben – ob sie glauben oder nicht. Die Rabbinerin sagt: "Modern gesprochen, fordert das den säkularen Rechtsstaat."
Ein zentraler Teil unseres Rechtsstaats heute ist das Bundesverfassungsgericht. Es sorgt dafür, dass die Grundrechte geschützt werden, also Freiheit, Gleichheit, Würde. Würde, die niemand verlieren kann, selbst wenn er schuldig ist und zu einer Strafe verurteilt wird. Wenn ein Gesetz gegen das Grundgesetz verstößt, kann das Gericht es stoppen. Seine Entscheidungen gelten für alle. Wie wenig selbstverständlich das ist, zeigt mir der Blick in die deutsche Geschichte. Auch der Blick in gar nicht so weit entfernte Länder, in denen es keine unabhängige Justiz gibt.
Die gerade verschobene Wahl von zwei Richterinnen und einem Richter zum Bundesverfassungsgericht bewegt viele Menschen zutiefst. Einige der Ursachen der Verschiebung haben mich erschreckt. Denn sie waren respektlos. Die Kampagnen und die persönlichen Diffamierungen gegen eine der Kandidatinnen sind infam, weil sie eben diesen Respekt verletzen. Was da geschehen ist, hat für mich nichts zu tun mit dem Austausch von Argumenten vor demokratischen Wahlen.
Zu meinem Glauben gehört, dass ich auf die Gerechtigkeit Gottes hoffe. Diese Gerechtigkeit ist noch mehr und anders als das, was Menschen an Recht schaffen können. Aber das lässt mich keinen Deut weniger dankbar sein für das, was unser Grundgesetz und seine Hüterinnen und Hüter an Recht schaffen. Es ist nicht selbstverständlich. Es macht wachsam. Denn was nicht selbstverständlich ist, muss geschützt werden. Zuerst durch unseren Respekt.
Es gilt das gesprochene Wort.
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