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Die Sendung zum Nachlesen:
„Frau – Leben- Freiheit.“ Monatelang konnte man das Motto auf T-Shirts lesen in Berlin, Paris und Teheran. Nächste Woche ist es ein Jahr her, dass Jina Marsha Amini aus ungeklärter Ursache in einer Teheraner Klinik starb. Zuvor hatte sie die Sittenpolizei festgenommen, weil sie angeblich das Kopftuch nicht richtig trug. Jina Marsha Amini, ihr Name ist unvergessen, nicht nur im Iran. Weil Frauen und Mädchen auf die Straßen gingen und ihr Kopftuch auszogen und diesen Namen riefen. Seit ein kurzem hat die Sittenpolizei wieder neue Befugnisse. War alles umsonst?
Jina war doppelt benachteiligt. Sie war Frau und Kurdin - den iranischen Namen Marsha trug sie nur, weil der kurdische nicht registriert wurde. Im Iran, aber auch in Syrien und in der Türkei werden Kurdinnen und Kurden diskriminiert. Für sie fallen Strafen besonderes heftig aus – aber auch ihr Widerstand. Kurdinnen und Kurden kämpfen um einen eigenen Staat. So wie die Sinti und Roma. Die Rohingya oder die Palästinenser. Und bis 1948 auch die Juden. Was es bedeutet, staatenlos zu sein, das habe ich bei meiner palästinensischen Freundin gelernt. Ohne Papiere bist du immer unter Verdacht. Beim Reisen, bei einem Auslandsstudium, bei der Eheschließung.
Wer Privilegien hat, kann sich nicht vorstellen, was es heißt, übersehen zu werden. Oder in Verhandlungen keinen Status zu haben. Wie die Inselbewohner im Pazifik, die in Kürze umgesiedelt werden müssen, weil ihr Land vom steigenden Meeresspiegel überschwemmt wird. Mit den Inseln verlieren sie ihre Grundstücke, ihre Geschichte, ihre Erinnerungen, die Begräbnisstätten, die gemeinsame Kultur - alles, was sie zusammenhält. Werden die Völker im Pazifik und werden die kleinen Leute bei uns die Zeche zahlen für die Katastrophe, die aus jahrzehntelangem fossilem Wirtschaften resultiert? Wer sorgt für Gerechtigkeit?
Die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, die sollen satt werden, sagt die Bibel. Was für ein Versprechen! Gerade jetzt, wo der Hunger wieder zunimmt, weil Krieg und Klimawandel alle Hoffnungen für dieses Jahrhundert in Frage stellen. Gerade jetzt, wo auch hier viele ihren Einkaufskorb kaum noch füllen können. Da klingt das Versprechen eher nach billigem Trost, gar nach Vertröstung.
Manchmal habe ich das Gefühl, die ganze Welt ist ein Schrei nach Gerechtigkeit. Ich sehe die Dürren, die sich ausbreiten, die unterernährten Säuglinge, die weinenden Mütter, die Menschen, die sich auf die Flucht machen. Ich sehe die Kinder in der Arche, die dort ihr Mittagessen bekommen, weil ihre Eltern sie nicht versorgen können. „I am not angry, I am hungry“, steht auf einem T-Shirt. Ich bin nicht wütend, ich habe Hunger“. Dass die einen schon im Alltag zu kurz kommen, während die anderen sich alles leisten können, ist zutiefst ungerecht. Gott sei Dank können sich die meisten Kinder bei uns darauf verlassen, dass sie bekommen, was sie zum Leben brauchen.
Die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, die sollen satt werden, sagt Jesus. Es ist schwer darauf zu vertrauen, wenn der Magen leer ist. Gegen alle Erfahrung zu glauben, dass den Hungrigen der Tisch gedeckt wird. Aber hier und da kann man das sogar erleben.
Im Kölner Arbeitslosenzentrum KALZ in der Nähe des Hauptbahnhofs gibt es das Lobbyrestaurant für Berber und Banker. Dort zahlt jeder, was er kann – Arbeits und Obdachlose ein oder zwei Euro, andere entsprechend mehr. Aber alle bekommen ein Gericht von gleicher Qualität. Und sitzen miteinander an großen Tischen. Gäste auf Augenhöhe. So kann Gerechtigkeit anfangen. Wenn jeder gibt, was er hat. Und wenn die, die mehr haben, etwas abgeben. Während der Pandemie wurden einige Konzerte so finanziert. Und nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren die sogenannten Pending - Cafes. Davon gibt es 250 in Deutschland. Das Prinzip: zwei Kaffee bezahlen, einen trinken. So hilft man jemandem, der Durst auf Espresso hat. Und hält den eigenen Durst nach Gerechtigkeit wach.
Es gilt das gesprochene Wort.