Maria 2.0

Gedanken zur Woche

Bild: Józef Mehoffer (Matka Boska Bolesna)

Maria 2.0
Ein evangelischer Kommentar
17.05.2019 - 06:35
07.02.2019
Heidrun Dörken
Über die Sendung

Katholische Frauen im Kirchenstreik zeigen: Was Macht und Mitbestimmung betrifft, sind sie draußen und die Männer drinnen.
Dabei ist die christliche Botschaft doch: Gott hat jede und jeden mit gleicher Würde und Liebe bedacht.
Genau das will Pfarrerin Heidrun Dörken auch in den Kirchen sehen und erleben.

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Seit Montag dieser Woche sind viele katholische Frauen im Kirchenstreik. Noch bis morgen betreten sie keine Kirche und tun auch keine ehrenamtlichen Dienste. Sie zeigen damit: Was Macht und Mitbestimmung betrifft, sind sie draußen und die Männer drinnen. Sie nennen ihre Aktion „Maria 2.0“. Sie sehen die Mutter des Jesus von Nazareth nicht auf einem Sockel, nicht schweigend, nicht devot. Maria ist für sie eine mutige Schwester im Glauben. Sie hat laut biblischem Zeugnis gesagt: Gott stößt die Mächtigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.(1) Deshalb ist Maria ihre Schirmfrau. Auch sie wollen etwas verändern. Sie wollen einige Missstände der katholischen Kirche beenden. Unter anderem fordern sie gleichberechtigten Zugang von Frauen zu kirchlichen Ämtern.

Ich äußere mich dazu als evangelische Pfarrerin. In der Evangelischen Kirche in Deutschland ist der Zugang von Männern und Frauen für alle Ämter kein großes Thema mehr. Pfarrerinnen und inzwischen auch Bischöfinnen sind selbstverständlich geworden. Gott sei Dank, finde ich. Und dank des langen und mühsamen Kampfs von mutigen Frauen und auch Männern. Für mich ist das kein Grund zu triumphieren. Sondern zu schauen, was evangelische und katholische Christen verbindet. Aber auch, was sie unterscheidet.

Zuerst wünsche ich den katholischen Frauen Erfolg und bete für sie. Mehr Geduld wünsche ich ihnen nicht. Ihre Geduld ist überstrapaziert. Ich bin mit ihnen solidarisch, weil ich weiß, wie lang und mühsam der Weg auch in den evangelischen Kirchen war. Und mancherorts immer noch ist. Zwar hat Martin Luther schon vor fünfhundert Jahren vom Priestertum aller Gläubigen gesprochen. Er hat gesagt: „Was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, dass es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht sei.(2) Selbstverständlich ging Martin Luther davon aus, dass kirchliche Ämter eine besondere Ausbildung und Beauftragung brauchen. Doch in jedem Beruf, ob kirchlich oder nicht, soll man seinen Glauben leben, keine und keiner ist dem anderen übergeordnet. Alle Getauften haben eine Mitverantwortung für die Sache Jesu.

Es sollte aber auch in der Evangelischen Kirche noch lange dauern, bis diese Einsicht auch Frauen galt. Vor knapp hundert Jahren gab es die erste Frauenordination in Deutschland.(3) Vor rund fünfzig Jahren dann gleiches Dienstrecht für Männer und Frauen. Lange konnten sich viele nicht vorstellen, wie der Pfarrdienst von Frauen mit der Versorgung von Ehemann und Kindern in Einklang zu bringen ist. Etwas, was von Männern nicht erwartet wurde. Bis Anfang der neunzehnhundertsiebziger Jahre mussten Pfarrerinnen deshalb aus dem Dienst ausscheiden, wenn sie heirateten.

Was soll nun dieser Blick in die Kirchengeschichte rund um Frauen und Männer? Man könnte einwenden: Es muss doch den Christinnen und Christen um den Glauben gehen, um Gott und Jesus Christus. Und was daraus folgt für Zuversicht und Hoffnung im Leben und im Sterben. Um die Liebe zum Nächsten soll es gehen und um Einsatz für andere, für Gerechtigkeit und Frieden.

Richtig. Das ist entscheidend. Ob evangelisch oder katholisch. Doch genau darum sind die Frauenfragen so wichtig. Die christliche Botschaft ist doch: Gott hat jede und jeden mit gleicher Würde und Liebe bedacht. Genau das will ich auch in den Kirchen sehen und erleben. Frauen und Männer an Altar und Kanzel gehören für mich dazu. Aber auch Strukturen, in denen nicht einfach von oben nach unten bestimmt wird. Im Gegenteil, wo von unten nach oben Frauen und Männer für verantwortliche Dienste gewählt werden, und zwar zeitlich begrenzt. Ich bin überzeugt: Christinnen und Christen sind aufgerufen, solche Fragen bald zu lösen. Sie sollen sich so organisieren, dass ihr Zeugnis glaubwürdig ist. Denn es gibt doch so viel anderes zu tun mit Glaube, Hoffnung und Liebe. Sie schulden es sich und der Welt.

 

Sie können mitreden zum Thema, auf Facebook unter „Evangelisch im Deutschlandradio“.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literaturhinweise:

  1. Lukasevangelium. Marias Psalm wird „Magnificat“ genannt und steht Kapitel 2, 26-56
  2. »Denn was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, dass es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht sei, obwohl es nicht einem jeglichen ziemt, solch Amt auszuüben.“ Martin Luther, 1520, aus der Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“. https://gutenberg.spiegel.de/buch/verschiedene-texte-9797/2 und https://chrismon.evangelisch.de/priestertum
  3. 1927 Einsegnung von Diakoninnen in der altpreußischen Union, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Frauenordination_(Christentum)#Protestantismus und https://de.wikipedia.org/wiki/Frauenbewegung_in_der_Evangelischen_Kirche_in_Hessen_und_Nassau#Gesetze_und_Verordnungen

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07.02.2019
Heidrun Dörken