Adler

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Rachel McDermott

Adler
17.01.2022 - 06:35
14.01.2022
Peter Oldenbruch
Sendung zum Nachhören

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Die Sendung zum Nachlesen: 

„Lobet den Herrn! Denn unseren Gott loben, das ist ein köstlich Ding.“ Sagt die biblische Losung für heute. Dass es heute ums Gotteslob gehen soll, ist also Zufall. Gott loben - jetzt Mitte Januar, wo die Christbäume am Straßenrand liegen mit Lamettaresten an den Zweigen! Diese Zeit kommt eher ein bisschen wehmütig daher. Und ernüchternd. Die grassierende Seuche tut das ihre dazu.

 

Gott loben - jetzt, in diesen Tagen? Wofür denn! Fürs Gotteslob jedoch braucht´s keinen Grund.

Das unterscheidet das Loben vom Danken. Wenn ich danke, hab´ ich meistens einen Grund dafür.

Danke für diesen guten Morgen, danke für alle guten Freunde! Wenn ich danke, habe ich einen Grund dafür, fürs Loben brauche ich keinen.

 

Wenn ich ein Loblied singe oder einen Psalm, singe und schwinge ich mich ins Lob hinein. „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ Das macht was mit den Lobenden. Dorothee Sölle erzählt in einem Gedicht, sie habe sich jetzt vorgenommen, jeden Tag drei Sachen zum Loben zu finden.

 

„Dies ist eine geistlich-politische Übung
von hohem Gebrauchswert
sie verbindet mich
mit den Müttern und Vätern des Glaubens
desselben Kontraktes
sie lehren mich sehen
auszumachen was alles sehr gut ist.“ (1)

 

 

„Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret, der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet“ heißt es im Gesangbuch, sogar ökumenisch. (2)

Von Mose berichtet die Schrift:

 

 „Wie ein Adler ausführt seine Jungen und über ihnen schwebt, so breitete Gott seine Fittiche aus und nahm ihn und trug ihn auf seinen Flügeln.“ (1)

 

Das klingt ein bisschen nach Yakari, dem Indianerjungen vom Stamm der Sioux. Er ist der Held der gleichnamigen Schweizer Comicreihe. Und dieser Yakari hat einen Beschützer: einen riesigen Adler, genannt Großer Adler. Großer Adler schwebt stets in Yakaris Nähe und warnt ihn vor Gefahren. Er ist ein Weißkopfseeadler und der hat auch in echt eine Flügelspannweite von über zwei Metern.

 

„Lobe den Herren, der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet und dich erhält! Hast du nicht dieses verspüret?“ (2)

 

Hab´ ich was gespürt? Allein die Frage zu stellen, kann Menschen herausführen aus Verbitterung oder Wut, aus Neid und dem Gefühl, stets zu kurz zu kommen. Dass ich freundlich geleitet wurde

und ein gnädiger Gott über mir Flügel gebreitet hat, vergess´ ich leicht. Weil es so viel zu klagen, so viel zu bejammern gibt. Weil viele sich allzu gern als Opfer sehen. Nicht selten spüre ich gerade bei Älteren so eine Art Grund-Verbitterung. Diese Haltung jedoch ist äußerst ungesund. Denn Unzufriedenheit, Neid und Nörgelei fressen an der Seele.

 

Und dann torkelt des Abends eine Wolke vorbei, eine mit einem goldenen Rand und die Verbitterten nehmen sie gar nicht wahr, sie verspüren schier gar nichts. Dem nachzuspüren, der mich auf Adlers Fittichen geführt hat und erhält - das schwingt mich in eine andere Haltung ein. Und lenkt die Sinne auf die Quelle des Lebens hin, die in jedem Menschen strömt. Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht das Lächeln, das dich freundlich geleitet hat! Und auch nicht, dass du getragen wurdest, ehe du selbst gehen konntest, und angesprochen, ehe dir ein eignes Wort über die Lippen kam. Und zärtlich berührt und geliebt, lange bevor du irgendetwas begreifen konntest.

 

Und dass das auch heute noch passiert! „Lobe den Herren, der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet“, dichtete Joachim Neander. Jeden Tag drei Dinge zum Loben finden, wollte Dorothee Sölle. Und so die Wolke nicht verpassen, die mit goldenem Rand, die gerade vorbeitorkelt.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

Literaturangaben:

 

  1. Dorothee Sölle, fliegen lernen, Berlin 1979, 7
  2. 5. Mose 32,11
  3. EG 316, 2

 

 

14.01.2022
Peter Oldenbruch