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Die Sendung zum Nachlesen:
"Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern". So heißt die zweite Station auf dem Kreuzweg.
Im Johannesevangelium trägt Jesus das Kreuz, er allein, von Pilatus´ Prätorium bis nach Golgatha. Kein Simon vom Kyrene wird von den Soldaten gezwungen, ihm das Kreuz zu tragen - wie in den drei anderen Evangelien. Im Johannesevangelium packt der zum Tode Verurteilte das, obwohl er gerade gefoltert wurde und zusammengeschlagen. Er kann sein Kreuz selbständig tragen.
"Sie nahmen ihn aber, und er trug sein Kreuz
und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte,
auf Hebräisch Golgatha."
Der Jesus des vierten Evangeliums bleibt stark. Er schreit am Ende nicht wie bei Markus und Matthäus.Er schreit nicht, wie Menschen und Tiere schreien, wenn unerträglicher Schmerz zugefügt wird. Im Johannesevangelium behält Jesus noch im Sterben seine Würde:
"Als er den Essig genommen hatte, sprach er:
Es ist vollbracht! und neigte das Haupt und verschied."
Kurz zuvor sieht Jesus im vierten Evangelium seine Mutter und bei ihr den Jünger, den er liebhatte. Er sagt zur Mutter:
"Frau, siehe, das ist dein Sohn!
Danach spricht er zu dem Jünger:
Siehe, das ist deine Mutter!
Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich."
Ein souveräner Jesus ist das - ein Christus! - der sich noch vom Kreuz herab um seine Mutter kümmert. Was für eine Stärke! Übermenschlich? Menschlich? … Der Apostel Paulus meinte im 2. Korintherbrief:
"Wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen,
so werden auch wir reichlich getröstet durch Christus.
Wie ihr an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilhaben."
In dem Maße, wie Leid über uns kommt, so Paulus´ Idee, wächst auch der Trost, der uns unterm Leid nicht zusammenbrechen lässt. … Dietrich Bonhoeffer hat im Gefängnis ganz ähnlich gedacht.
In seinem "Gebet für Mitgefangene" betet er:
"Vater im Himmel, du hast mir viel Gutes erwiesen,
lass mich nun auch das Schwere aus deiner Hand hinnehmen.
Du wirst mir nicht mehr auflegen, als ich tragen kann."
Aber stimmt das? Immer? Dass nicht mehr auferlegt wird, als man tragen kann? So dass wir auch den schweren Kelch aus Gottes Hand annehmen können?
Ich habe eine ganze Reihe von Menschen erlebt, die voller Verwunderung davon erzählt haben, wie ihnen in schwerer Not Widerstandskraft zugewachsen ist, dass sie mitten im Leid Trost erfahren haben. "Ich hätte das nie gedacht", haben manche gesagt. Und … -und es gibt die gegenteilige Erfahrung: dass Menschen in einer existenziellen Notlage die Widerstandskraft nicht zugewachsen ist, die sie dringend gebraucht hätten. Manche Menschen, nicht selten Kinder, müssen Erfahrungen machen,
- die sie nicht ertragen können,
- die die eigene Leidensfähigkeit übersteigen,
- die nicht verarbeitet werden können.
Missbrauch übersteigt in den meisten Fällen die eigene Belastungsgrenze. Aber auch Gewalt - in einem Krieg, bei einem Unfall, in einer Naturkatastrophe oder auf der Flucht. Was traumatisierte Menschen erlebt haben, ist so furchtbar, dass sie es wegpacken, irgendwohin in einen verschlossenen Bereich. Nichts soll an das schlimme Ereignis erinnern.
- In jeder Notlage so viel Widerstandskraft, wie wir brauchen,
- wer am Leiden teilhat, wird auch am Trost teilhaben
… - nein, so einfach ist das nicht. Traumatisierte Menschen brauchen professionelle Hilfe. Manche finden in ihrer Umgebung Menschen, die ihnen Sicherheit geben, die sie nicht bedrängen, nun endlich zu erzählen, was denn los ist. Grade das können sie ja nicht. Manche finden Menschen, die da sind und es aushalten, eigentlich nichts machen zu können. Außer zu vermitteln:
- Ich bin für dich da und höre dir zu.
- Ich habe Zeit für dich und versuche, dich zu verstehen.
… Manchmal wächst dabei der Trost zu, der unterm Leid nicht zusammenbrechen lässt. Der nicht aus uns selber stammt. Ach … und manchmal braucht es doch einen Simon von Kyrene, der das Kreuz mitträgt! Davon morgen mehr, an der dritten Station.
Es gilt das gesprochene Wort.