Morgenandacht
Gemeinfrei via unsplash/ YODA Adaman
Die letzte Generation
07.07.2022 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Blockade an der Berliner Autobahn. Junge Leute haben den Verkehr lahmgelegt. In roten Warnwesten sitzen sie auf der Straße. Manche haben sich mit den Händen auf dem Asphalt festgeklebt. Ich bekomme schon Panik bei der Vorstellung. Autofahrer fürchten, zu spät zur Arbeit zu kommen – oder zu einem Arzttermin. Sie hupen, werden handgreiflich, einer tritt – bis endlich der Notarzt kommt und die Hände von der Fahrbahn löst, hat die Polizei viel zu tun. Warum macht man sowas?

Es ist der „Aufstand der letzten Generation“. Das Netzwerk ist überzeugt, dass wir die letzten sind, die verhindern können, dass die Erde unbewohnbar wird. Sie haben errechnet, dass wir die beschlossenen Klimaziele längst nicht mehr rechtzeitig erreichen. Aber „darauf zu vertrauen, dass Publikationen, Vorträge, Talkshow-Auftritte, Klimakonferenzen, Petitionen die Wende bringen - das ist sträflicher Leichtsinn“, sagt mir ein Geologe. All die dramatischen Kurven, die Klimakarten mit den roten Hitzezonen erreichten die Menschen nicht. Nur ziviler Ungehorsam könne zum Umdenken führen. Klar, das sei strafbar, auch schmerzhaft – aber es lohne. Das zeigten die Suffragetten, Martin Luther King, Mahatma Gandhi.

Hat denn niemand Angst, dass die Situation eskaliert? Wir stehen ohnehin vor einer Eskalation, sagt der Geologe. Wenn die Sommerhitze, die Überschwemmungen und die Dürre weiter zunehmen, kommen ganz neue Probleme auf uns zu. Die Wüsten wachsen, der Hunger nimmt zu. Die Migrationskrisen der letzten Jahre werden nichts sein gegen die, die noch kommen.  Der Wohnraum, die Nahrungsmittel würden nicht reichen.

Plötzlich habe ich apokalyptische Bilder vor Augen. Prallende Sonne über verödeten Städten. Schiffe im Suez, die ihre Ladung nicht mehr loswerden. Die nächste Flutkatastrophe, die ganze Dörfer unter sich begräbt. Migrantenboote, die im Mittelmeer untergehen. Und junge Leute, die sich mit ihren Computerterminals in verlassene Bergdörfer zurückgezogen haben, um den Kapitalismus zu stoppen, wie die Autorin Sibille Berg erzählt. Auch in ihrem Roman geht es um das letzte Aufbäumen der Menschheit. Wir leben in einer apokalyptischen Epoche - jede Menge Filme und Bücher erzählen vom kommenden Untergang.

Eines der ersten schrieb Johannes, der auf der Insel Patmos im Exil lebte. Seine Bilder sind unvergessen. Das Buch mit den sieben Siegeln, die Posaunen des Gerichts und die apokalyptischen Reiter.  Aber Johannes erzählt auch von der Stadt mit den zwölf Toren, die Menschen von überall her aufnimmt - aus Ost und West, von Nord und Süd. Die Stadtmauer leuchtet in allen Farben des Regenbogens. Und in der Mitte steht kein Palast und kein nationales Parlament, auch kein Tempel und keine Kirche – in der Mitte sitzt das verwundete Lamm auf dem Thron. Der Gefolterte, der Gekreuzigte. Von ihm geht alle Hoffnung aus.

 Einmal werden die Wüsten wieder zu Gärten. Schwer zu glauben – ich weiß. Darum stecken manche lieber den Kopf in den Sand und machen einfach weiter wie gehabt. Manche hoffen, dass neue Techniken uns retten, andere träumen sich zurück in die vorindustrielle Welt. Und einige versuchen eben immer verzweifelter, die Politik zum entschiedenen Handeln zu bewegen – wie die letzte Generation.

Wo scheinbar alles auf den Abgrund zuläuft, erzählt Johannes vom Reich Gottes. Das ist keine virtuelle Welt wie das Metaversum. Hier werden die blutigen Kleider gewaschen, die Tränen getrocknet. Wenn alles chaotisch wird, stelle ich mir vor, was Johannes sieht:  Das verletzte Tier, die geschundene Erde - und die Hütte Gottes bei den Menschen. Die menschliche Stadt. Und dann weiß ich: Wer Vertrauen hat, kann tun, was nötig ist. Wie die jungen Leute, die den Plastikmüll aus den Meeren sammeln. Die Wissenschaftlerinnen, die Samenbanken für Pflanzen und Getreide anlegen. Die Mutigen, die mit Notarztteams in die Ukraine gehen. Und die Freiwilligen von der Seenotrettung, die Geflüchtete aus dem Mittelmeer retten. Das sind die Aktivisten, die mir Hoffnung machen - sie lassen mich an die neue Erde glauben.

Es gilt das gesprochene Wort.