Morgenandacht
epd-bild/Frank Schultze/Zeitenspiegel
Hilfe, die erfüllt
mit Pfarrer Peter Oldenbruch
03.03.2022 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Wir dürften uns nichts vormachen, meint der Bundeskanzler, das werde jetzt "eine ganz, ganz dramatische Zeit". Die bisherigen Bilder von Zerstörung, Toten und Verletzten seien nur ein Anfang von dem, was wahrscheinlich noch komme. Ich wünsche mir so, dass der Kanzler irrt. Behält er Recht, heißt das auch: noch mehr Frauen, Alte und Kinder werden sich aus der Ukraine in Sicherheit bringen und - wie in allen kriegerischen Konflikten - in den Nachbarländern Zuflucht suchen, vor allem in Polen. Eine ganze Reihe von Flüchtlingen jedoch landen bereits jetzt auch in Deutschland.

Und das ist ein bisschen anders als - sagen wir - 2015, als vor allem Menschen aus Syrien oder Afghanistan hier ankamen. Leute aus der Ukraine können ohne Visum drei Monate in der Bundesrepublik zu Besuch sein. Und diese Erlaubnis könnte man auch nochmal um drei Monate verlängern. Das macht die Aufnahme von Schutzsuchenden viel einfacher. Es gibt Meldestellen, aber sie müssen in keine Erstaufnahmeeinrichtung, also in keine Massenunterkunft. Sie müssen sich keiner erkennungsdienstlichen Behandlung unterziehen. Es würde aber auch noch anders gehen.

Die Bundesinnenministerin hat die sogenannte Massenzustromrichtlinie der EU ins Spiel gebracht. Die Richtlinie ermöglicht einen vorübergehenden Schutz für genau bezeichnete Personengruppen.

Ohne Einzelfallprüfung und bis zu drei Jahre lang. Vielleicht beschließt die EU heute diesen Mechanismus. Dann erhielten die aus der Ukraine Geflohenen schnell einen sicheren Aufenthaltsstatus. Und Zugang zu Sozialleistungen sowie die Möglichkeit zu arbeiten. Bislang wurde die Massenzustromrichtlinie nie EU-weit beschlossen. Weil Aufnahmemuffel wie Polen und Ungarn keinem Verteilmechanismus zustimmen wollten. Das könnte jetzt anders sein, schließlich landen die meisten Ukraine-Flüchtlinge zunächst in den Nachbarländern, vor allem in Polen. Und die helfen sehr. Aber das zu regeln, ist die rechtliche Seite des Problems. Das muss die Regierung machen.

Was Menschen brauchen, wenn sie in ein fremdes Land kommen, ist neben einem schützenden rechtlichen und finanziellen Rahmen noch etwas anderes: Hilfsbereitschaft. Einheimische, die sich um die Fremden kümmern. Und das sind oft ganz einfache Dinge. Ich erinnere mich an eine Syrerin, die weinend in ihrer Wohnung saß. Ich dachte, sie weint wegen der heruntergekommenen Dachwohnung oder wegen der kaputten Möbel in den drei Dachkammern. Aber das war´s nicht. Sie hatte kein Geschirr, das zusammenpasste. Sondern Tassen und Teller, bunt zusammengewürfelt aus den letzten 40 Jahren, von altem Goldrand-Porzellan bis zu IKEA.

Ob es nicht Wichtigeres gebe, dachte ich. Die Mutter aber, eine bürgerliche Frau, wollte ihren beiden Kindern so etwas wie Behaglichkeit geben und ihrer Restfamilie so etwas wie Würde. Dafür stand symbolisch das Geschirr. Und das war nun überhaupt kein Problem. Innerhalb eines Tages war ein gebrauchtes einheitliches Service gefunden. Und die Mutter fühlte sich nach den Monaten im Erstaufnahmelager - ja wie? - als Mensch, denk´ ich.

Ich habe als Flüchtlingspfarrer viele Jahre lang Kirchengemeinden und Einzelpersonen begleitet, die Flüchtlinge unterstützt haben. Das war keineswegs immer konfliktfrei. Und die Geflüchteten waren nicht immer so, wie die Hilfswilligen sie sich vorgestellt haben. Die allermeisten jedoch, die diesen zunächst Fremden geholfen haben - auf dem Weg zu Ämtern, mit einem offenen Ohr

oder eben mit einem alten Service - die meisten haben diese ehrenamtliche Arbeit als erfüllend erlebt. Hilfs- und Aufnahmebereitschaft sind auch in Deutschland groß.

Es braucht da einen langen Atem, unendlich viel Geduld und viel Pragmatismus. Geflüchtete begleiten ist etwas, an dem sich viele beteiligen können, nahezu unabhängig vom Alter. Am besten in enger Absprache mit den professionellen Flüchtlingsberaterinnen von Diakonie, Caritas, AWO und anderen. Wer sich hier einbringt, begegnet dabei schutzsuchenden Menschen und unversehens womöglich dem, der gesagt hat: Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen. Solche Begegnung erfüllt.

 

Es gilt das gesprochene Wort.