Tagewerk

Wort zum Tage

Gemeinfrei via Unsplash/ Eric Rothermel

Tagewerk
mit Barbara Manterfeld-Wormit
07.03.2022 - 06:20
11.01.2022
Barbara Manterfeld-Wormit
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Es kommt selten vor in dieser häuslichen Zeit, wo Reisen auf ein Minimum reduziert sind: Immer wenn ich zu Gast in einer fremden Stadt bin, nehme beim Abschied gerne etwas mit: Ein Büchlein mit Goethegedichten aus Frankfurt am Main, schokoladige Halloren Kugeln aus Halle an der Saale, Lutherbier aus Wittenberg, Gurken aus dem Spreewald. Gerade war ich in Köln. Ganz anders diesmal mit Friedensumzug statt Karneval. Am Hauptbahnhof entschied ich mich dann gegen den Dom in der Schneekugel als Souvenir und für ein kleines Büchlein, das mich in meine Kinderzeit zurückversetzt: Die Heinzelmännchen von Köln. Viele erinnern sich: Da kamen bei Nacht, eh` man`s gedacht, die Männlein und schwärmten und klappten und lärmten…und hüpften und trabten und putzten und schabten, und eh` ein Faulpelz noch erwacht`, war all sein Tagewerk bereits gemacht! Und alle waren glücklich damals in Köln: Die Zimmerleute und der Bäckermeister, der Fleischer, der Küfer und das Schneiderlein. Bis dessen neugierige Frau alles verdarb und den kleinen Kerlchen den Garaus machte. Wäre heute damals und Berlin Köln, dann würden die Heinzelmännchen wohl die U-Bahnen lenken und die Zeitungen austragen, Emails beantworten und Vorträge ausarbeiten. Doch wie heißt es am Ende so wehmütig: Ach, wenn es noch wie damals wär` – doch kommt die schöne Zeit nie wieder her!

Schade eigentlich. So ist das eben mit dem Erwachsensein. Die Kleinen hilfreichen Geister verschwinden und der Ernst des Lebens stellt sich ein. Aber eins lehrt das Kinderbuch noch heute: den wunderschönen Begriff des Tagewerks. Der beinhaltet nämlich, dass in einen Tag tatsächlich nicht mehr und nicht weniger als das Werk eines Tages gehört: da näht das Schneiderlein bloß einen Rock für den Bürgermeister. Für heute könnte das bedeuten: Es werden zehn Mails beantwortet und nicht zwanzig. Weil es genug ist, dass jeder Tag seine eigene Plage hat, wie Jesus in der Bergpredigt sagt. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Sein Tagewerk verrichten – das ist ein wichtiges Wort gerade jetzt, wo so viele zuhause vor dem Laptop hocken und man sich am Ende des Arbeitstages so seltsam leer und irgendwie entfremdet von der realen Welt da draußen fühlt. Ein bisschen schwärmen und lärmen, hüpfen und traben – soll sein, muss sein und kommt wieder. Ich wünsche Ihnen heute viel Freude und Energie bei ihrem Tagewerk und sein Ende zur rechten Zeit.

Es gilt das gesprochene Wort.

11.01.2022
Barbara Manterfeld-Wormit