Vertrauen auf Gottes Gegenwart

Wort zum Tage
Vertrauen auf Gottes Gegenwart
02.01.2021 - 06:20
27.12.2020
Marie Anne Subklew-Jeutner
Sendung zum Nachhören
Sendung zum Nachlesen

Ein neues Jahr liegt vor uns. Wie ein weißes Blatt, auf das noch kein Stift ein Wort geschrieben oder ein Pinsel ein Bild gemalt hat.

Dietrich Bonhoeffers Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ hat uns hier in den letzten Tagen des alten Jahres 2020 begleitet. Und heute, am zweiten Tag des neuen Jahres 2021, ist es die letzte Strophe, eine starke Trost- und Ermutigungsstrophe.

„Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.“

Auf dem Hintergrund des vergangenen Jahres, in dem die Pandemie uns und unsere Welt verändert hat, klingen diese Zeilen fast wie eine Zumutung; und etwas naiv, möchte man meinen.

Wenn wir nicht wüssten, dass sie in dunkelster Nacht geschrieben wurden. Im Dezember 1944, wenige Monate vor seiner Ermordung im Konzentrationslager Flossenbürg, hat Bonhoeffer dieses Gedicht einem Gefängnisbrief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer beigelegt.

Diese letzte und die erste Strophe bilden den geistlichen Rahmen dieses letzten spirituellen Zeugnisses von Dietrich Bonhoeffer.

„Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr.“

Mit dieser Gewissheit für sich selbst beginnt Bonhoeffer seinen Text.

Er vertraut darauf – trotz aller Zweifel – dass gute Mächte ihn umgeben. Er fühlt sich behütet – trotz aller Bedrohungen und Ängste. Er ist getröstet – trotz aller Untröstlichkeit und Einsamkeit.

Darin kommt er mir ganz nah, wenn ich jetzt in ein neues Jahr gehe. Was wird am Ende dieses Jahres auf dem großen leeren weißen Blatt stehen, das vor mir liegt? Wird es ein schönes Bild sein, farbenfroh und mit klaren Linien? Oder voll gekrakelt, mit Klecksen, ausradierten Worten und durchgestrichenen Plänen? Wahrscheinlich beides. Welchen Klang wird das Jahr 2021 haben, welche Töne werden angeschlagen, welche Melodien summe ich? Wie wird die Stimmung sein? Dur oder Moll, harmonisch oder disharmonisch. Wahrscheinlich beides.

Aber: Ob jubelnd das Leben gepriesen oder seufzend und stammelnd die Fragen gebetet, durch jeden Tag und jede Nacht, die in diesem Jahr auf mich warten, will ich mich begleiten lassen von dem Versprechen:

„Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

 

Es gilt das gesprochene Wort.

27.12.2020
Marie Anne Subklew-Jeutner