Wertvoll wie kostbare Gemälde

Wort zum Tage
Wertvoll wie kostbare Gemälde
13.01.2021 - 06:20
12.01.2021
Michael Becker
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Jetzt ist es wieder passiert. Ein Bild, das viele Jahre vor sich hin staubte, ist plötzlich wertvoll. Man meinte Jahrhunderte, das Bild sei nur von einem Schüler des Meisters gemalt worden. Jetzt aber hat man vorsichtig und gründlich den ganzen Staub der Jahrhunderte entfernt und genau hingesehen. Und siehe da, das Bild ist vom Meister selber, nämlich von Peter Paul Rubens (1577 - 1640), geboren in Siegen in Westfalen. Seine Familie kam eigentlich aus Flandern in Belgien, ist aber mal eine Weile von dort geflohen wegen Religionsstreitereien. So kam Rubens in Deutschland zur Welt, ging später aber wieder zurück nach Antwerpen, wo er berühmt wurde als Barockmaler. Und nun also sein Bild „Porträt einer Dame“. Das hat kein Lehrling in der Werkstatt gemalt, wie man lange Zeit dachte; nein, das ist von Rubens selber, weiß man jetzt. Ein Unbekannter hatte das Bild vor Jahren für ein paar Tausend Euro gekauft. Dann wurde es entstaubt und versteigert. Es kamen um die drei Millionen Euro zusammen. Das nenne ich ein gutes Geschäft, nur weil man mal gründlich abgestaubt hat.

          Manchmal ist das ja so: Etwas staubt viele Jahr einfach vor sich hin, behält aber unter dem Staub seinen großen Wert. So ähnlich kommt mir das mit dem Mann vor, dem ich manchmal begegne. Sein Staub heißt Griesgram. So schaut er auch drein: missmutig, leblos, etwas grau. Wenn ich eine Weile neben ihm stehe oder mich zu ihm setze, denke ich: Jetzt musst du ihn wohl wieder ein bisschen abstauben. Und siehe da: Wenn ich nach seinen Kindern und Enkeln frage, wenn er vom Angeln erzählt oder wie sorgfältig er seinen Garten bestellt, verschwindet allmählich der Griesgram. Und sein Gesicht wird etwas heller. Es strahlt nicht gleich wie ein Gemälde von Rubens, aber ein wenig leuchtet es schon. Vielleicht, weil er von sich sprechen kann, weil sich jemand für ihn interessiert. Ich mag das, wenn er sich geachtet fühlt. Es ist, als trete er aus seinem Schatten. Und käme endlich mal wieder in das Licht, das sich Gott für uns wünscht: wertvolle Menschen zu sein - eben wie kostbare Gemälde. Und möglichst geduldig miteinander. Heiter und hell.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

12.01.2021
Michael Becker