Das Fest der pfingstlichen Verunsicherung

Das Fest der pfingstlichen Verunsicherung
Pfarrer Dr. Wolfgang Beck
08.06.2019 - 23:35
31.05.2019
Dr. Wolfgang Beck

Brauche ich das wirklich? Eine Versicherung für ein neues Fahrrad, das ich mir vor ein paar Monaten gekauft habe? Kurz zuvor war mein altes Rad geklaut worden und mein Ärger darüber war noch ziemlich groß. „Du wirst Dich noch mehr ärgern, wenn Dir jetzt das neue Rad auch wieder geklaut wird und Du keine Versicherung abgeschlossen hast“, denke ich. Ich entscheide mich trotzdem dagegen und denke in den Wochen danach immer wieder an diese Entscheidung, wenn ich mein neues Rad irgendwo in der Stadt abschließe.

Bei unseren Versicherungen - da kommt einiges zusammen, gegen Feuer, Einbruch und Wasserschaden. Absicherungen fürs Leben und für mein Recht. Das füllt bei mir einen großen Ordner. Und Familien im Eigenheim haben noch viel mehr zu versichern. Überblicken Sie noch, welche Verträge Sie irgendwann abgeschlossen haben? Und all das neben den verpflichtenden Sozialversicherungen. Klar, es gibt Versicherungen, die sind nicht nur für die Einzelnen wichtig, sondern für die gesamte Gesellschaft. Aber wo verläuft die Grenze zwischen Vernunft und übertriebener Sorge?  Das ist nicht leicht zu entscheiden und alle ziehen wohl individuell die Grenze. Die Versicherung für das Fahrrad schien mir unnötig. Es ist ein vertretbares Risiko. Die zentrale Frage ist aber doch: Wie viel Risiko ist mir erträglich? Und wo merke ich, dass ich Absicherung ganz gerne habe?

Es lohnt sich, am Pfingstfest einmal über die persönliche und gesellschaftliche Absicherung nachzudenken. Es ist mal ganz gut, das eigene Sicherheitsbedürfnis hier und da zu hinterfragen. Denn am Pfingstfest feiern Christ*innen die Zusage des Heiligen Geistes. In den biblischen Texten gibt es eine Fülle von Bildern und Metaphern: mal wird er als Feuer, mal als Sturm oder als Hauch beschrieben. Und schon diese vielen Bilder und Metaphern deuten an, dass die Menschen nicht so richtig in den Griff bekommen, worum es dabei gehen könnte. Er ist die große Zusage Gottes an die Menschen, an ihrer Seite zu bleiben. Aber dieser Heilige Geist lässt sich eben nicht definieren. Er ist für den christlichen Glauben wesentlich, aber lässt sich doch nicht greifen. Sich auf den Heiligen Geist, auf diese Zusage Gottes einzulassen, ist deshalb riskant. Denn hier enden Berechnungen. Wer sich auf den Heiligen Geist einlässt, geht vor allem das Risiko ein, dumm dazustehen. Das war bei Paulus so, der als Apostel auf den Heiligen Geist vertraut hat und dann bei seiner Predigt auf dem Marktplatz von Athen erleben muss, dass er sich scheinbar bis auf die Knochen blamiert.

Diese biblische Zusage, dass die Menschen vom Heiligen Geist begleitet sein sollen, ist keine Versicherung. Sie ist etwas, das zu den menschlichen Versicherungen dazu kommt. Diesen Geist als Beistand zu bezeichnen, beschreibt es ganz gut. Versicherungen greifen ja nur, wenn es zu Desastern kommt, wenn Unfälle passieren oder Geplantes gründlich schiefläuft. Versicherungen sind also ein Fall für Ausnahmesituationen. Der Heilige Geist als Beistand wirkt kontinuierlich. Er ist nicht nur eine Maßnahme für Notfälle, in denen Menschen an ihre Grenzen geraten. Er wirkt permanent. Auch wer als Christ*in an den Heiligen Geist glaubt, wird also ein paar Versicherungen abschließen.

Die Versicherungen darf ich wieder vergessen. Denn sie werden erst gebraucht, wenn Schlimmes passiert ist. Allenfalls werde ich durch Rechnungen an sie erinnert. Beim Heiligen Geist ist es anders: Das Pfingstfest ist keine offene Rechnung. Es ist eine jährlich wiederkehrende, aber angenehme Erinnerung. Daran, dass es eine Zusicherung gibt, die immer da ist und nicht nur in Notfällen einspringt. Ein Beistand, der Menschen zugesagt ist, die sich auf die Nachfolge Jesu mit ihrem Glauben und ihrem Leben einlassen. Es ist eine großartige, zugleich seltsam leise Ermutigung, die den Menschen „zuhaucht“:
Ihr seid getragen und begleitet und müsst die Herausforderungen des Lebens nicht allein tragen.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Pfingstfest!

31.05.2019
Dr. Wolfgang Beck