Alles Sch....?

Alles Sch....?
mit Pfarrer Alexander Höner aus Berlin
10.06.2023 - 23:35
02.02.2023
Alexander Höner

Guten Abend, meine Damen und Herren! 

Ich hätte hier auf dem Kirchentag in Nürnberg bei 2.000 Veranstaltungen mein Wort zum Sonntag  sprechen  können. Aber: ich wollte unbedingt genau hier hin. Hier, wo Sie selbst  die Stimmung  sehen können, diese Lebensfreude, die durch die Altstadt von Nürnberg schwabbt. 10tausendfach. Das verändert die ganze Stadt. Es sind die vielen Christinnen und Christen. Sie haben es die vergangenen vier Tage geschafft, Gott und das Leben zu feiern und aus dieser Stadt eine mitreißende Diskussions-, Streit- und auch Partymeile zu machen, eine Atmosphäre zu schaffen, in der man sich verbunden fühlt. Verbunden miteinander und mit dem großen Ganzen – für mich: mit Gott.  

Es ist eine leichte Übung auf diesem Planeten, etwas Scheiße zu finden oder aggressive Stimmung zu verbreiten. Die wesentlich anspruchsvollere Übung ist es, an einen Ort zu gehen, mitzuhelfen eine gute Atmosphäre zu schaffen und diese Energien mitzunehmen in den Alltag. 

Ich bin hier in Nürnberg  durch die Altstadt geschlendert. Und ganz Nürnberg war ein Fest. Auf den Hauptplätzen bin ich an großen Bühnen vorbei gekommen, tolle Bands haben gespielt. Spontan fingen Frauen mit einer Tanzchoreographie an. Aus den weit geöffneten Kirchen hörte ich Musik und Gebete. An einer Straßenecke reichte mir jemand einfach ein Herz aus Filz und lächelte mich an. Das mögen einige banal finden, ich habe es genossen. Bei einem Zeltpavillon musste ich mich durch eine große Traube Menschen schieben und entdeckte, dass dort eine berühmte Altpolitikerin von guter Streitkultur sprach. Streiten, Beten, Singen. Was für ein inspirierender Abend! 

Ich spüre hier unter den Zehntausenden mit ihren türkisfabenen Schals eine Atmosphäre, in der man gerne und leicht miteinander ins Gespräch kommt und nicht sofort den oder die andere in eine Schublade packt. Ich treffe Menschen, die mir erzählen, dass Ihnen die Waldbrände in Kanada und die Bilder von den Rauchschwaden in New York Angst machen. Die mir sagen, dass es noch nicht zu spät ist, die Dinge zum Guten zu verändern.   

Ich habe aber aktuell das Gefühl, dass die meisten müde von den großen Themen sind, weil es so oft keinen Respekt mehr vor der anderen Meinung gibt. Weil alles viel zu emotional und absolutistisch besprochen wird. Anders hier auf dem Kirchentag: Ich erlebe eine ansteckende Lust, die aktuell relevanten Themen miteinander zu besprechen. Verbunden durch den gemeinsamen Glauben, verbunden durch den Respekt voreinander. Aber: Es ist nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen. Es wird ehrlich gestritten und nicht diffamiert. Im Anderen den Nächsten sehen und nicht den Gegner. Das müssen wir versuchen, finde ich! Wir sind nicht nur Einzelkämpferinnen und – kämpfer. Christen sind durch den Glauben verbunden, aber wir alle, wir alle - vor allem durch unser Menschsein.

 

Wir sind gemeinsam auf dem Weg. Nur so haben wir eine Chance. 

Kommen Sie behütet durch die Nacht. 

 

02.02.2023
Alexander Höner