Zu Besuch bei einem Köhlerfeuer wie in alten Zeiten. Man muss es entfachen – und man muss es hüten, damit es nicht erlischt. Ein Bild dafür, damit in der Gesellschaft der Funke des Zusammenhalts nicht erlischt.
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"Zweierlei ist nötig: Das Feuer entfachen und das Feuer hüten." So erklärt der Mann vom Heimatverein. Es ist am Morgen im Naturpark Solling im Weserbergland. Meine Frau und ich stehen an einer Köhlerhütte. Vor uns ein Kohlenmeiler, von Bäumen umstanden, wie in früheren Zeiten. Ein meterhoher Kegel, aufgeschichtet aus Holzscheiten, bedeckt mit Erde, Gras und Moos.
Ein Junge führt eine lange Stange durch einen Schacht in das Innere des Meilers. An der Spitze der Stange brennt ein Feuer. Kurz darauf steigt der erste Rauch aus dem Kegel auf. Zehn Tage, so hören wir, wird dieser Kohlenmeiler nun brennen und bewacht werden. Der Lohn wird Holzkohle sein, wie sie früher an vielen Orten auf diese Weise hergestellt wurde.
"Zweierlei ist nötig: Ein Feuer entfachen und ein Feuer hüten." Diese Worte klingen nach längst vergangenen Zeiten. Denn wer "entfacht" heute schon sein Feuerzeug oder "hütet" das Feuer im Kamin? Klangvolle Bildersprache.
Mich beeindruckt dieser Kohlenmeiler. Stark, dass ein Heimatverein, ein Dorf, eine Region sich zusammentut, um gemeinsam so ein Projekt auf den Weg zu bringen. Ich denke an andere, gegensätzliche Erfahrungen: Es ist oft mühsam, Menschen zusammenzubringen und zu begeistern. Bei uns zu Hause auf dem Land werden Vereine kleiner. Es finden sich immer weniger Menschen, die sich engagieren und Verantwortung übernehmen. So werden die verschiedenen Milieus und Lebensentwürfe immer mehr zu Inseln und eine gemeinsame Dorf- und Stadtentwicklung wird mühsamer.
Und manchmal lässt die Kraft bei älter werdenden Engagierten auch nach. Vielleicht sind nach jahrelangem Engagement oder einem Ehrenamt die Hände müde oder zittrig geworden. Oder wir haben uns beim Festhalten des Gewohnten Schwielen geholt oder gar Verletzungen, weil uns so vieles aus der Hand gleitet, ja weil die Welt sich verändert. Da braucht es hin und wieder ein Feuer oder auch nur einen Funken - wie jener, der den Kohlemeiler des Heimatvereins entfacht.
Ein Feuer entfachen. Diese Fertigkeit hat den Menschen zu dem gemacht, was er ist. Industrie und Handwerk brauchen das Feuer. Es schafft Energie, Wärme und schenkt Licht in der Dunkelheit. Menschen sind angewiesen auf Feuerstellen - auch im übertragenen Sinne.
In der Bibel wird der Heilige Geist wie Feuerflammen dargestellt. Gottes Heiliger Geist ist der Funke, der innerlich entzündet, der Geistes-Blitz, der Energien freisetzt und manchmal von einem zum anderen überspringt. Für mich steckt darin auch eine Anfrage: Brennt noch etwas in mir? Entfache ich ein Feuer bei anderen? Welche Feuer hüte ich heute zusammen mit anderen?
Ein Köhlerfeuer wird lange gehütet, nicht nur Stunden, sondern Tage und Wochen. Es wird Tag und Nacht bewacht, damit es einerseits genug, andererseits nicht zu viel Sauerstoff hat, um so die Verkohlung zu kontrollieren. Auch darin steckt für mich ein Bild: Wir dürfen die Leuchtfeuer in unserer Welt nicht erlöschen lassen. Gemeinschaftsorte, an denen wir zusammenkommen, sind wie Feuerstellen. Auf welche Weise schaffen wir Orte, an denen Menschen sich versammeln? Wie kann ich die wärmenden und lichtschaffenden Feuerstellen in der Gesellschaft hüten? Was kann ich dazu beitragen, damit unsere Welt lichter und wärmer wird?
Das Feuer entfachen und das Feuer hüten. Diese altertümlichen Wortpaare nehme ich mit, als wir die Köhlerhütte verlassen. Mich begleitet der Gedanke: Entfachen und hüten möchte ich ganz andere Feuer. Lichtorte, die Wärme geben und nicht zu schnell verbrennen. Die Orte, an denen wir zusammenkommen, sind wie Feuerstellen. In einer Welt, in der oft genug der Eigennutz regiert, will ich, soweit ich kann, diese Gemeinschaftsfeuer entfachen und hüten. Es braucht diese kleinen geisterfüllten Momente, die mir und uns helfen, das Leben zu meistern und die Welt zu gestalten.
Es gilt das gesprochene Wort.
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