Der Platz, an dem man gemeinsam isst, ist ein Treffpunkt. Da teilt man Alltag, feiert, erzählt. Unser Autor bringt eine weitere Möglichkeit ins Spiel: Tischgebete.
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Ich sitze gern an dem schweren Eichentisch in unserer Küche. Das alte Holz erzählt viele Geschichten: Da eine Maserung, dort ein Wasserfleck und am Rand eine Kerbe – wer mag an diesem Tisch schon alles gesessen haben? Hier wurde erzählt und gelacht, beraten und geschwiegen, vor allem aber gemeinsam gegessen und getrunken. Der alte Esstisch lädt geradezu dazu ein: Nimm dir Zeit, nimm Platz. Rück doch auch mal wieder mit Freunden und Familie zusammen, stoß an. Tische laden dazu ein und erzählen viele Geschichten.
Als ich klein war, fanden wir sechs Kinder samt unseren Eltern am Esstisch Platz. Später, als meine Frau und ich mit unseren beiden Kindern um den Tisch saßen, war es etwas übersichtlicher, aber nicht viel anders. Inzwischen ist der Tisch zu groß für uns beide. Die Kinder sind aus dem Haus. Dafür lümmelt sich der Hund unter dem Tisch zu unseren Füßen. Trotz aller Veränderung: Der Tisch ist und bleibt ein Bild, ein Symbol für die Gemeinschaft. Ich vermute: Viele haben einen besonderen Tisch in Erinnerung. Ein eigener Tisch oder einer, an dem wir gern zu Gast waren. Eine gedeckte Tafel an Festtagen zum Beispiel.
Sich zu jemandem an einen Tisch setzen, kann ein Leben verändern. An einen Tisch setzt sich Jesus. Und mit diesem Moment und an diesem Tisch beginnt ein neues Leben für sein Gegenüber, einen Mann, der von allen anderen gemieden wurde. Er war ein Kollaborateur, ein Kriegsgewinnler, der für die Römer Abgaben und Gebühren erhob und viel in die eigene Tasche steckte. Wer setzt sich schon zu einem, der mit der verhassten Besatzungsmacht kooperiert? Jesus tut es. Er isst, trinkt, spricht, hört zu – und für den Mann namens Zachäus löst sich etwas: Er verspricht, die Hälfte seines Vermögens den Armen zu geben und illegal "Abgepresstes" vierfach zu erstatten. So beginnt ein neuer Lebensabschnitt am Tisch dieses Zöllners.
Warum tut Jesus das? Was treibt ihn an? Einmal erzählt Jesus dazu ein Gleichnis. Es war ein Mensch, der machte ein großes Festmahl und lud viele dazu ein. Doch die Eingeladenen entschuldigten sich. Die Plätze füllten sich nicht. Da sagte der Gastgeber zu seinem Knecht: Sorge dafür, dass mein Haus voll wird. Die Türen stehen offen. Sag allen: Kommt einfach, nehmt Platz. Und plötzlich wird diese eigentlich ganz häusliche Alltagsgeschichte zu einem Raum für eine wunderbare innere Erfahrung: So groß ist Gottes Güte, so reichlich seine Gnade – als würde ich unvermittelt zu einem Festmahl eingeladen. Ich darf kommen, du darfst kommen. Platz nehmen. Bei Gott sein. So wie ich bin, so wie du bist.
Und wie ist es heute mit unseren Tischgemeinschaften? Gemeinsames Essen stärkt den Zusammenhalt noch heute. Auch wenn es schwerer wird, die Zeit dafür zu finden. Dennoch essen beinahe alle Kinder und Jugendlichen mindestens einmal am Tag gemeinsam mit einem Familienmitglied. Das hat eine Studie des Robert Koch-Instituts vor einigen Jahren gezeigt (1). Die Mahlzeit vorbereiten, Kinder vielleicht sogar beteiligen beim Aufdecken. Statt fernsehen vom wirklichen Leben erzählen und einander zuhören: Dann wird daraus eine richtige Mahlzeit.
Ich kenne immer weniger, die vor dem Essen ein Gebet sprechen wie "Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommt, o Herr, von dir; wir danken dir dafür" oder "Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast". Ob unsere Tische heute zu reichlich gedeckt sind? Vielleicht ist alles zu selbstverständlich, ja gewöhnlich geworden. Statt auf den Kreislauf der Natur zu schauen, werfen wir ja eher einen Blick auf das Haltbarkeitsdatum der Ware im Kühlschrank.
Dabei geht ein Dank fürs Essen auch heiter, knapp und fröhlich. Warum nicht mit Kindern zu Beginn einfach dieses kleine Gebet sagen? "Herr, lass deinen Segen über unsere Teller fegen!" Und wenn man´s vergisst? Kein Problem! Dann geht es auch so: "Hab` ich glatt vergessen, dir zu danken vor dem Essen. Magen voll und Teller leer, dank ich dir halt hinterher!"
Es gilt das gesprochene Wort.
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