Morgenandacht
Gemeinfrei via unsplash/ Michael Maasen
Tröstende Lieder
von Superintendent Jan von Lingen
27.04.2022 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Früher enthielten Evangelische Gesangbücher ganze Abschnitte unter der Überschrift „Lieder zur Zeit ansteckender Seuchen“. Doch sie waren nicht zeitgemäß und wurden bei Gesangbuchreformen ersatzlos gestrichen. Auf der Suche nach einem Lied für unsere Pandemiezeit stoße ich im aktuellen Evangelischen Gesangbuch auf ein eher unbekanntes Lied über Krankheit und Heilung: „Herr, du hast mich angerührt“ (EG 383).

 

Der Text stammt ursprünglich aus Norwegen. Geschrieben hat ihn der Lieddichter Svein Ellingsen. Er ist im Jahr 2020 im Alter von 90 Jahren verstorben. Er war kein Theologe, sondern ausgebildeter Maler und Kunsterzieher, aber er wollte – so sagte er - „die Lücken der neuen Lieder im Gesangbuch seiner norwegischen Kirche füllen“. Er schrieb ein Leben lang geistliche Liedtexte. Und dieser, finde ich, macht Hoffnung: „Herr, du hast mich angerührt. Lange lag ich krank danieder. Aber nun – die Seele spürt: Alte Kräfte kehren wieder.“

 

„Angerührt werden“ in Zeiten der Krankheit - das ist gut biblisch. Viele Kranke werden von Jesus berührt. Die Schwiegermutter des Petrus, der blinde Bartimäus, der Gehörlose, der geheilt wird – immer wieder sind Berührungen und Handauflegen und Handhalten Wege der Kommunikation, wenn ein Mensch durch Krankheiten eingeschränkt ist. Oft habe ich das im Krankenhaus oder bei einem Arzt selbst erlebt.

 

„Herr, du hast mich angerührt, lange lag ich krank darnieder“ – so notiert der norwegische Kirchenlieddichter Svein Ørnulf Ellingsen. Geschrieben hat der diesen Text über seine Krankheit im Alter von 26 Jahren. Es war die Depression, die ihn in so jungen Jahren und später immer wieder erfasst hat. Sie hat ihn aber auch sensibel gemacht für die Kostbarkeit des Lebens und für den sorgfältigen Umgang mit der Sprache. Er findet starke Worte für Heil und Heilung. Die deutsche Übersetzung der zweiten Strophe klingt so:

 

Dank für deinen Trost, o Herr, Dank selbst für die schlimmen Stunden, da im aufgewühlten Meer sinkend schon ich Halt gefunden. Du hörst auch den stummen Schrei, gehst im Dunkeln nicht vorbei.

 

Was für Bilder! - Aber: „Dank selbst für die schlimmen Stunden?“ - Svein Ellingsen hat von der deutschen Übersetzung seines Liedtextes erfahren - und er hat an dieser Stelle protestiert: „Das Wort Dank ist falsch.“ Für seine Krankheit, eine schwere Depression, war er nicht bereit, Gott zu danken. Auf diesen Protest hin wurde die Übersetzung geändert: „Dank für deinen Trost, o Herr, / Trost selbst in den schlimmen Stunden.“

 

Seinen Protest gegen die falsche Übersetzung kann ich gut verstehen: Niemand soll dankbar sein müssen für schlimme Stunden. Und „Trost“ ist etwas ganz Anderes als „Dank“. Der Trost verdrängt das schwere Erleben nicht, sondern lässt es zu. Der Trost hofft und ahnt die verborgene Nähe Gottes im Leid. Auch das Wort ‚Trost‘ selbst weist darauf hin: ihm verwandt sind die Worte Vertrauen und Treue. Trost weiß immer von einem Gegenüber…- oder ahnt zumindest etwas.

 

Solchen Trost finde ich in Geschichten, die mich durch die Krankheit tragen. In einem Psalm, den ich mitnehme, wenn ich im Krankenbett liege. Der mich stärkt, wenn ich auf dem Weg zur OP im Bett liegend bewegungslos durch die Gänge eines Krankenhauses geschoben werde und nach oben schaue und die grellen Lampen an mir vorüberziehen. Mein ganz persönlicher Trostort ist innerlich. Und ich kann ihn aufsuchen, wenn die äußere Welt sorgenvoll und bedrohlich wird oder mir Angst macht.

 

Auch Lieder können solche Trostorte sein und sogar zu modernen Psalmen werden. Manche Lieder machen in Notzeiten stark, weil sie trösten – so wie diese letzte Strophe im Lied „Herr, du hast mich angerührt“ von Svein Ellingsen:

 

Langer Nächte Unheilschritt muss mich nun nicht mehr erschrecken. Um mich her das Schöpfungslied soll sein Echo in mir wecken. Neue Quellen öffnen sich. Gott, du lebst. Ich lobe dich.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

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