Am 9. November 1989, als die Mauer fiel, war sie schon wieder raus aus dem Gefängnis, aber das Gefängnis war noch in ihr. Ich habe Katrin Hattenhauer viel später kennengelernt. Sie ist eine Widerstandskämpferin, eine Heldin, oft unbeachtet. Sie hat damals für die Freiheit gestritten und tut das heute. Wie das Gefängnis sie verändert hat, spürt sie noch immer, dreißig Jahre danach. Das Gefühl völliger Ohnmacht. Was werden sie mit mir machen? Die mit den Schlüsseln. Die mit der Macht. Wie lang? Tage? Wochen? Jahre?
Katrin Hattenhauer wurde im September 1989 verhaftet. Sie war 20 Jahre alt. Da war sie bereits aus dem Studium der Theologie geflogen, war mit Berufsverbot belegt. Zu auffällig, zu gefährlich die junge Frau, die Flugblätter entwarf und verteilte. Ein Magnet für verschärfte Aufmerksamkeit der STASI, für Durchsuchungen. Sie hatte alle Sicherheiten verloren. Allen Schutz. Stand oft unter Hausarrest. Aber sie konnte nicht aufhören zu trotzen, zu kämpfen gegen die Unfreiheit, die Gängelung, das Schweigen.
Sie war eine der beiden jungen Frauen die am 4. September 1989 auf dem Nikolaikirchhof in Leipzig protestierten mit einem großen Banner: „Für ein offenes Land mit freien Menschen". Heimlich hatten sie Kontakt zum Westfernsehen hergestellt. Die Welt ‚da draußen‘ und die Leute in der DDR, alle sollten sehen, was da begonnen hat: eine friedliche Revolution! ‚Wir sind viele und wir sind friedlich!‘ das sollten sie verstehen.
Eine Woche später wurde Katrin verhaftet. Einen Monat war sie im Gefängnis. Nur. Und doch, sie vergisst diese Zeit nicht. Nicht die Angst und nicht den Mut. Für ein offenes Land mit freien Menschen. In der Bibel sagt einer dazu: Zur Freiheit hat uns Christus befreit, Bleibt aufrecht, lasst euch nicht unterjochen! So lebt Katrin auch heute. Sie hört nicht auf sich einzusetzen, denn Freiheit und Demokratie sind bedroht von rechter Hetze und von Gewalt – in West und Ost. Es ist absurd, dass Leute von Rechts behaupten, sie(!) wären Widerstandskämpfer. Gegen was? Eine Meinungsdiktatur, sagen sie! Nein. Es ist nicht erlaubt gegen Minderheiten zu hetzen Es ist nicht erlaubt Menschen zu bedrohen, weil sie anders sind oder weil sie eine andere Meinung haben. Unserem Grundgesetz und Gott sei Dank!
Ein offenes Land und freie Menschen das bedeutet gerade heute, zusammen zu stehen mit allen, die Angst haben müssen vor der Grausamkeit der Worte und Taten: Juden und Muslime, Frauen, Schwule und die nicht zu vergessen, die sterben an den Grenzen Europas. Ein offenes Land und freie Menschen – diese Forderung ist noch lange nicht erfüllt, aber sie gilt!
SWR