Lauter Idioten?
mit Pfarrer Alexander Höner Berlin
25.06.2022 23:35

Guten Abend, meine Damen und Herren!

„Bin ich eigentlich nur noch von Idioten umgeben?“ Ich sitze im Park auf dem Rasen, neben mir steht jemand auf und lässt seinen kompletten Müll liegen. Und dann tue ich was, was mir echt schwer fällt. Ich fühl‘ mich dann nämlich gleich als Moralapostel. Und das will ich als Pfarrer absolut nicht sein. Trotzdem rufe ich dem Müllmacher hinterher: „Hey Du hast was vergessen!“ Ich muss das sagen. Und gleichzeitig schießt mir durch den Kopf:  „Mensch Höner, halt doch einfach mal die Klappe, vielleicht ist der total aggro und haut dir gleich eine rein!“ Aber: Ich hab‘ keine Lust neben Müllbergen im Park zu sitzen. Wir müssen uns doch an gewisse Regeln halten, damit sich alle halbwegs wohl fühlen. Und ich meine, einen öffentlichen Platz sauber zurückzulassen, bricht einem doch keinen Zacken aus der Krone.

 „Bist du die Parkpolizei, oder was?!“ Bam! Genau davor habe ich Angst, vor dieser Schlagfertigkeit. In solchen Momenten frage ich mich, was Jesus getan hätte. Er war nämlich ein Meister darin so zu reagieren, wie es die wenigsten erwartet haben. Er sagte mal: „Zeigt klar, wofür ihr steht, und kommt auch denen entgegen, die es euch schwer machen.“

Ich finde, ich hab klar gesagt, wofür ich steh‘: „Nimm deinen Müll mit!“ Aber es hat nichts gebracht. Der Mülltyp hat sich sogar über mich lustig gemacht. Und dem soll ich jetzt auch noch entgegen kommen?! Und das soll was verändern? Nee, für mich bleibt er ein „Idiot“ – also im ursprünglichen Sinne des Wortes einer, der nen Egotripp fährt und dem die anderen egal sind.

Gibt’s von denen heute mehr als früher? Also Leute, vor denen ich fassungslos stehe und denke: Das kann die oder der jetzt doch nicht wirklich machen, oder!?

Es gibt mehr! Ein Kollege schreibt in seine Geburtstags-grußkarten neuerdings immer: „Ich wünsche Dir im neuen Lebensjahr möglichst wenig Kontakt mit Idioten.“ Eine Freundin antwortete auf die Frage, wonach sie sich gerade am stärksten sehnt: „Ich will, dass die Leute mich in Ruhe lassen.“

Genervt von den anderen, sich nicht mehr mit ihnen auseinandersetzen, auf Familie, Freunde und den eigenen Nahbereich fokussieren. So isolieren wir uns gegenseitig immer weiter. Und werden einander zu Idioten.

In diesem Modus will ich nicht leben. Ich will klar sagen, was mir wichtig ist: „Nimm deinen blöden Müll mit.“ Aber dann will ich auch am liebsten sagen: „Du bist doch mehr als dieser rücksichtlose Typ! Nimm das doch nicht gleich so persönlich und als Kampfansage. Ich will dir doch gar nichts. Du willst doch auch nicht, dass unsere Kinder später im Müll ersticken. Wir Menschen sind doch mehr als Idioten. Wir haben von Gott die Chance bekommen, dass wir nicht nur um uns selber kreisen, sondern auch dem anderen zuliebe etwas tun. Jede und jeder! Auch du Müllmacher im Park!“

Ich wünsche Ihnen eine gute und behütete Nacht.

 

 

Sendeort und Mitwirkende

Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)

Redaktion: Ulrike Bieritz