Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage!
Sendung nachlesen:
Die Eiche in der Nähe meiner Wohnung ist über 100 Jahre alt. Ihr Stamm ist dick. Damit stemmt sie sich den Stürmen entgegen. Einmal war der Wind jedoch so stark, dass einer ihrer größten Äste abbrach. In der Baumkrone klaffte nun ein großes Loch. Die Eiche war schwer verletzt, doch sie stand. Und der Verlust regte ihr Wachstum an. Schnell kamen neue Triebe. Binnen weniger Jahre war die Lücke geschlossen.
Ein paar Meter neben der Eiche wächst eine Bambushecke – vielleicht sechs Meter hoch. Wenn der Sturm in die Hecke fährt, lassen sich die Bambusstangen einfach niederlegen – bis auf den Boden. Es sieht aus, als seien sie abgebrochen. Sind sie aber nicht. Sobald der Wind nachlässt, stellen sie sich einfach wieder auf. Der Bambus und die Eiche lassen sich von Stürmen nicht unterkriegen. Sie sind stark - auf unterschiedliche Weise. Der Bambus gibt nach. Flexibel passt er sich dem Wind an. Die Eiche setzt auf Stabilität. Wird sie verletzt, reagiert sie mit Wachstum.
Widerstandskräfte in schwierigen Situationen - dafür steht der Begriff Resilienz. Resilient sein kann man auf unterschiedliche Weise. Das zeigen Bambus und Eiche. Das gilt für jeden einzelnen Menschen. Es gilt auch für Familien und Unternehmen, für ganze Gesellschaften und Volkswirtschaften, auch für die Ökosysteme unserer Erde. Sie alle benötigen zum Überleben und zum Gedeihen eine Resilienz, die zu ihnen passt.
Resilienz ist also ein bedeutsamer Begriff. Seit einigen Jahren wird er immer häufiger verwendet. Kein Wunder, die Zeiten sind stürmisch und anstrengend. Das kostet viel Kraft und bereitet viele Sorgen. Da liegt es nahe zu fragen: Was gibt mir Halt in unruhigen Zeiten? Was macht mich stark und zuversichtlich? Welche Kräfte kann ich mobilisieren um die Herausforderungen zu meistern? Da gibt es einiges, wie ich bei meiner Suche entdecken konnte.
Gehört auch der Glaube an Gott dazu? Manche fühlen sich in Krisen von Gott im Stich gelassen. Das ist dann umso schlimmer . Andere erleben sich von Gott gestärkt. Offensichtlich gibt es auch eine geistliche Resilienz. Die Bibel enthält viele Zeugnisse von Menschen, die sich in ihrer Not an Gott wenden. Nicht alle, aber viele finden im Glauben Kraft und Zuversicht. Wie es zum Beispiel Psalm 26 ausspricht:
„Ich hoffe auf den Herrn, darum werde ich nicht fallen.“
Der Begriff Resilienz kam vor etwa 50 Jahren auf. Inzwischen ist er in der Alltagssprache angekommen. Er bezeichnet ja auch etwas Alltägliches und Uraltes. Denn Herausforderungen und Krisen gehören schon immer zum Leben - genauso wie deren Bewältigung. Das gilt von Anfang an, denn schon die Geburt erleben Babys als eine Krise ihrer bisherigen Existenz. Später folgt die Pubertät. Auch das Altern und Sterben gehören dazu. Um diese Krisen kommt niemand herum und für sie brauchen alle Menschen Resilienz. Unterwegs im Leben lauern weitere Belastungen: Krankheiten, Misserfolge, Verluste und vielleicht sogar ein Krieg. Gerade jetzt trägt die Menschheit etliche unbewältigte Probleme mit sich herum. Da wünschen sich viele möglichst resilient zu sein. Deshalb muss man eines vorwegsagen: Resilienz ist nur die zweitbeste Lösung. In Krisen sollte nicht die erste Frage lauten: Wie halte ich sie am besten aus und arrangiere mich mit ihnen? Die erste Frage ist: Gibt es eine gute Lösung dafür? Probleme lösen ist allemal besser als Probleme gut aushalten. Gegen widrige Umstände muss man manchmal schlicht Widerstand leisten und sie nicht elastisch wegstecken. Erst wenn das nicht möglich ist, kommt Resilienz ins Spiel.
Leider ist das oft der Fall. Das zeigt schon die Vielfalt der Sprachbilder dafür: Resiliente Menschen haben eine dicke Haut, die Ruhe weg. Die fallen immer wieder auf die Füße, die haut nichts um, sie sind wie Stehaufmännchen. Die wissen sich immer zu helfen und sind unverwüstlich, denn an ihnen perlt alles ab.
Vor einigen Jahren tauchte DAFÜR ein besonders sympathischer Sinnspruch auf: „Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitermachen.“ Ist „Resilienz“ also nur ein neues Wort für etwas Uraltes? Nicht ganz, denn der Begriff hat dazu geführt, dass viele nun genauer nachfragen, was Resilienz ist, wo sie herkommt, wie man sie stärken kann und was ihr Ziel ist. Darüber hat der katholische Theologe Elias D. Spangl ein Buch geschrieben. Es trägt den Titel „Resilienz durch Glauben?“. Darin rückt der Autor den Begriff des Gedeihens in den Mittelpunkt. Gedeihen trotz schwieriger Umstände. Dieser Begriff ist ihm wichtig, weil er mehr meint als Durchhalten und Bewältigen. Gedeihen meint aktiv gestalten und idealerweise an den widrigen Umständen sogar wachsen und stärker werden. Diese Erfahrung hat der Apostel Paulus offenbar auch gemacht. Er formuliert sie so:
„Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.“
Es gibt Menschen, die schliddern von einer Krise in die nächste und dazwischen kriegen sie noch Schicksalsschläge ab. Sie haben mehr als genug Gründe mit allem zu hadern: mit dem Leben, mit sich selbst und mit Gott. Doch stattdessen verströmen sie eine Lebensfreude, die verblüffend ist – und andere ins Nachdenken bringt. Wie kommt es, dass sie so lebenslustig, humorvoll und stark sein können, während ich und andere schon bei viel kleineren Widrigkeiten verzweifeln würden?
Darauf kann die Resilienz-Forschung einige Antworten geben. Eine davon kann enttäuschend sein: Resilienz ist angeboren. Sie gehört zu den festen Eigenschaften mancher Menschen, sie sind eben Frohnaturen. Vielleicht ist das für die anderen auch entlastend. Dann ist es nicht nur ein persönliches Versagen, wenn die eigene Resilienz schwächelt.
Aber zur Resilienz trägt mehr bei. Dazu gehört das soziale Umfeld: eine Familie, in der man geliebt wird und sich geborgen fühlt. Ein Freundeskreis, in dem vertrauensvoll und offen gesprochen wird. Menschen sind resilienter, wenn sie Spielräume zum Gestalten haben. Das sagen Resilienz-Forscher und weisen auch der Gesellschaft eine wichtige Rolle zu. Sie stärkt die Resilienz, wenn sie Freiheiten eröffnet und Respekt für die Menschen vermittelt sowie andere wichtige Werte. Resilienz ist die kleine Schwester eines großen Vertrauens - in die Familie, in Freunde und Freundinnen, in die Gesellschaft, in Gott und auch in sich selbst.
Für seine Resilienz kann man selbst etwas tun – und man muss das sogar: Zum einen das eigene soziale Umfeld gut pflegen. Zum zweiten sich nicht ständig bis zur Erschöpfung verausgaben, sondern eine Kräftereserve vorhalten. Mit ihr kann man dann noch auf belastende Dinge eingehen. Drittens gehört zur Resilienz auch, die Grenzen der eigenen Kraft und die Grenzen des Machbaren zu achten.
Viertens schließlich: Man kann an seiner Haltung arbeiten - sich öffnen für Prozesse des Gedeihens. Dazu gehört auch auf Veränderungen einzugehen, zum Beispiel sich verabschieden können von liebgewordenen Erwartungen, von Zielen und Hoffnungen, wenn sie sich als unrealistisch erweisen.
Bei Menschen, die trotz eines harten Schicksals lebensfroh sind, fällt mir eines auf: Sie kämpfen für ihr Leben, aber sie hadern nicht. Wenn etwas nicht so kommt wie gewünscht, treten sie einen Schritt zurück und orientieren sich neu. Mit Unvermeidlichem finden sie sich ab. Resilienz braucht sowohl Widerstandskraft als auch Ergebung in sein Schicksal. Ergebung wie der Bambus mit seinen elastischen Stangen, Widerstandskraft wie die Eiche mit ihrem dicken Stamm. Über das spannungsvolle Verhältnis zwischen Ergebung und Widerstand hat der Liedermacher Wolf Biermann ein Lied geschrieben. Es trägt den Titel „Ermutigung“ und ist für mich die Resilienz-Hymne schlechthin.
„Du, lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit. Die allzu hart sind, brechen, die allzu spitz sind, stechen und brechen ab sogleich.
Das Lied ist 1968 in der DDR entstanden. Wolf Biermann ermutigte damit oppositionelle Menschen, sich von staatlicher Repression nicht kaputt machen zu lassen. Resilienz ist nicht nur etwas Persönliches, sondern auch etwas Politisches. Das Lied wirkte sich auch in der Bundesrepublik aus. Dort bestärkte Biermanns „Ermutigung“ insbesondere die Umweltbewegung. Ich möchte sie gerne auch den jungen Leuten zusprechen, die sich heute um die Umwelt sorgen und darüber zu verzweifeln drohen. Ich trage ihre Verzweiflung seit langem in mir, denn die heutigen Umwelt-Probleme sind seit Jahrzehnten bekannt. Das Lied macht Mut zum Kämpfen und zugleich rät es: Begrenze dich selbst. Begrenze dein Anliegen und deine Sorgen. Niemand kann aus eigener Kraft die Welt retten. Vermutlich nicht einmal sich selbst. Wolf Biermann tastet sich mit dem Lied an die Grenze des Machbaren heran, wo das Hoffen und das Glauben beginnen. Kein Wunder, dass er es einmal als „rotes Kirchenlied“ bezeichnet hat. In Schweden steht es sogar im Kirchengesangbuch. Ohne es auszusprechen, öffnet das Lied eine Tür zu Gott. Der Glaube kann zu einer guten Resilienz etwas beitragen. Davon bin ich überzeugt. Wie es sich anfühlt, wenn einem Kraft und Zuversicht abhandenkommen – und dann wieder zuwachsen, beschreibt der Prophet Jesaja:
„Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen. Aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren, mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“
Der Prophet Jesaja bezeugt, wie der Glaube einen wieder zum Laufen oder gar zum Fliegen bringen kann. Der entscheidende Punkt ist Vertrauen in Gott. Das klingt einfach und schlicht, ist es aber nicht.
Denn die Probleme sind damit nicht gelöst und die Sorgen nicht verflogen. Aber immerhin weiß man dann: Ich bin nicht allein auf meine eigene Kraft angewiesen. Der Sinn meines Lebens erschöpft sich nicht nur in dieser Welt, sondern ich gehöre auch noch zu einer anderen Wirklichkeit. Es geht nie wirklich ums Ganze. Das kann entlasten und zugleich ermutigen weiterhin ein aktiver, lebensfroher und optimistischer Teil dieser Welt zu bleiben. In diesem Gottvertrauen sehe ich den Resilienz-Kern des christlichen Glaubens: Niemand kann einem die Liebe Gottes nehmen.
Das klingt nach einer sicheren Sache: Resilienz steigern durch Glauben. Schon komme ich besser durchs Leben. Doch so kappt das nicht. Der Glaube ist keine App, die man herunterlädt, in der Seele installiert und dann ermutigt sie mich täglich. Für einen bestimmten Zweck zu glauben funktioniert nicht. Entweder man kann glauben – einfach so und mit allen Konsequenzen. Oder nicht.
Außerdem: Ob der Glaube wirklich trägt, weiß man nicht im Vorhinein. Das spürt man erst, wenn es soweit ist. Weder die Kraft des Glaubens, noch die der Resilienz gibt es auf Vorrat. Sondern erst, wenn sie gebraucht wird – hoffentlich. Deshalb gehört der Zweifel an Gott und an sich selbst zum Glauben, er ist seine Kehrseite. Sowohl Glauben als auch Resilienz wachsen einem zu und man muss sie sich stets neu erschließen. Der Apostel Paulus hat das erlebt. Welche innere Gewissheit einem das geben kann, beschreibt er so:
„Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte und Gewalten, noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“
Wer im christlichen Glauben nach geistlicher Resilienz sucht, stößt auf den Tod von Jesus Christus und auf seine Auferstehung. Das vergangene Osterwochenende hat daran erinnert. Es begann mit dem Karfreitag, dem Todestag Jesu.
Als Aufrührer wird er verhaftet, gefoltert und hingerichtet. Als Jesus im Todeskampf am Kreuz hängt, ruft er die ersten Worte des Psalms 22 :
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht. “
Im Moment höchster Not greift Jesus zu Worten aus der Überlieferung seines jüdischen Glaubens. Sie helfen ihm herauszuschreien, wie sehr er sich von Gott verlassen fühlt. Zugleich bleibt er nah dran an Gott. Daraus schöpft Jesus Kraft. Als gläubiger Jude weiß er, wie der Psalm weitergeht. Bei der Gottferne bleibt das Gebet nicht stehen:
„Unsere Väter und Mütter hofften auf dich. Und da sie hofften, halfst du ihnen heraus. Zu dir schrien sie und wurden errettet. Sie hoffen auf dich und wurden nicht zuschanden.“
Der Psalm spricht von Rettung. Ob Jesus schon am Kreuz wusste, was drei Tage später geschehen würde? Das bleibt ein Geheimnis. Klar ist: In den Worten dieses Psalms findet Jesus im Sterben Halt. Drei Tage später geschieht das Wunder: Jesus wird errettet, vom Tod auferweckt. Am Morgen ist das Grab, die Kammer der Hoffnungslosigkeit, leer. Damit zeigt Gott: Ich kann selbst aus dem Tod, dem absoluten Ende, neue Anfänge entstehen lassen. Dies für sich gelten zu lassen und daran zu glauben, ist vielleicht die größte Übung in geistlicher Resilienz. Sie macht einen stark gegen Verzweiflung und Angst, bis hin zur Todesangst. Die Widrigkeiten in der Welt werden nicht das letzte Wort behalten. Das letzte Wort ist Gott vorbehalten und seiner Einladung in das Himmelreich. Das Osterfest feiert die Auferstehung Jesu. Deshalb ist es in meinen Augen das größte Fest der Resilienz, das ich mir vorstellen kann. In ihm zeigt sich der Kern des christlichen Glaubens: Vertrauen in Gott und Hoffnung auf Gottes Handeln, das auch mich ins Handeln bringt. Dem Hass, der sich in der Welt so oft Bahn bricht, kann ich die Liebe Gottes entgegenstellen. Der Angst vor dem Tod kann ich mit der Hoffnung auf das Himmelreich Gottes begegnen. Dem Gefühl im Leben verloren zu sein, steht die Zusage Gottes entgegen: Du wirst nicht zuschanden werden. Darauf vertrauen zu können stärkt die eigene Resilienz, meine Widerstandskraft und meine Tatkraft zu widerstehen und zu handeln.
Es gilt das gesprochene Wort.
Musik dieser Sendung:
- Gerhard Schöne: Die güldene Sonne, CD: Ich bin ein Gast auf Erden, Track Nr. 3.
- Gerhard Schöne: Alles muss klein beginnen, CD: Schöne Lieder, Track Nr. 11.
- Wolf Biermann: „Ermutigung“, CD: Aah – ja!, Track Nr. E3.
- Gerhard Schöne: Glaubst du daran?, CD: Das Perlhuhn im Schnee, Track Nr. 18.
- Gerhard Schöne: Kommst du nun, Jesus, vom Himmel, CD: Ich öffne dir die Tür, Track Nr. 5.
Es gilt das gesprochene Wort.
Musik dieser Sendung:
Literatur dieser Sendung: